Bücher, Blog und Bachelorette

Der jüngste Buchblogger der Schweiz, Josia Jourdan, spricht über seine Leidenschaft, die Krise des Jugendbuches und wieso er Adela Smajic interviewte.

Julius E. O. Fintelmann: Josia, schön, dass Du die Zeit gefunden hast, mit mir zu sprechen. Du führst unter josiajourdan.ch einen Buchblog, in dem Du Bücher kritisierst, Interviews mit Autorinnen und Autoren führst und über Buchmessen berichtest. Ausserdem schreibst Du eine monatliche Kolumne bei der Basellandschaftlichen Zeitung (bz). Nebenher gehst Du noch in die Schule, in das Gymnasium Muttenz und schreibst in etwas mehr als drei Jahren Deine Matura dort, Du spielst Landhockey und spielst Waldhorn in zwei Ensembles. Wie schaffst Du das zeitlich, wenn Du so viel schreibst und liest?

Josia Jourdan: Man hat immer soviel Zeit, wie man sich nimmt. Ich habe mir das in meinen Alltag eingebaut, dementsprechend ist es eine Priorität für mich. Ich weiss, da liegt noch ein Stapel Bücher, der gelesen werden muss, also lese ich den. Das ist auch die Schwierigkeit bei meinem Buchblog, ich muss ja vor allem lesen und kann nicht einfach losschreiben. Ich plane täglich mindestens eine Stunde zum Lesen ein, das ist fix eingebaut. Meine Blogbeiträge werden oft in Nacht-und-Nebel-Aktionen zwischendurch in der Schule geschrieben, ich bin in einer Laptopklasse, da kann ich auch während des Unterrichts schreiben. Das ist zwar nicht unbedingt vorbildhaft, aber ich suche mir meine Zeit aus. Rezensionen kriege ich relativ spontan hin, planen muss ich da eher Projekte, die auch andere Personen involvieren, beispielsweise Interviews.

Noch einmal zurück auf das Lesen: Hast eine bestimmte Lesetechnik? Oder liest Du einfach drauf los?

Also eine Lesetechnik habe ich nicht, nein. Ich lese vor allem viel leichte Literatur und Unterhaltungsliteratur, die liest man einfach schnell. Ich lese auch überhaupt nicht quer, da gibt es einige, die das machen, ich aber nicht.

Wie viel liest Du ungefähr?

Gute Frage. Ich schätze pro Monat ca. vier bis acht Bücher, allerdings schwankt das immer vom Umfang der Bücher. Aber zwischen vier und acht Büchern im Monat ist so der Durchschnitt und zwischen 200-600 Seiten pro Buch. Aber manche sind eben viel dünner und manche gerne 800 oder 1000 Seiten.

Und was machst Du mit Büchern, die Dir gar nicht zusagen?

Also welche, die ich lese und mir dann gar nicht gefallen?

Genau.

Ich sage immer, dass ich die dann abbreche. Behaupte ich zumindest. Mache ich dann aber meistens doch nicht.

Echt nicht?

Ich breche nur ab, wenn ich auf den ersten 10-20 Seiten merke, dass mir das Buch nicht gefallen wird. Denn dann habe ich ja noch nichts gelesen. Aber wenn ich schon mehr gelesen habe, habe ich schon Zeit investiert, aus irgendeinem Grund habe ich es ja bis hier durchgehalten und dann lese ich teilweise wirklich schlechte Bücher fertig.

Es ist dann natürlich sehr interessant, weil man dann über das Leseverhalten nachdenkt. Ich frage mich, warum es mir nicht gefallen hat und was denn wirklich so schlecht daran ist. Manchmal gibt es inhaltliche Gründe, die mir überhaupt nicht gefallen, oder für mich nicht vertretbar sind. Oft ist es auch die Sprache, die mir nicht zusagt.

Was hältst Du von Verfilmungen?

Von Harry Potter habe ich beispielsweise nur die Filme gesehen. Das hat nicht unbedingt was mit der Reihe an sich zu tun, ich hatte bisher nur keine Lust darauf, sie zu lesen. Aber generell finde ich Buchverfilmungen recht cool, weil man dadurch Personen, die vielleicht nicht so gerne lesen, die Geschichten dennoch nahe bringen kann. Ich bin nicht jemand, der ein Buch liest und dann auf die Verfilmung wartet. Ich muss es auch nicht unbedingt anschauen, wenn ich ein Buch gelesen habe. Aber ich habe auch teilweise erst den Film und dann das Buch gelesen oder umgekehrt. Für mich ist es einfach ein Auseinanderhalten. Ein Film kann nie gleich sein wie ein Buch und ein Buch nicht gleich wie ein Film, es sind verschiedene Medien. Ein Film kann viel langsamer oder auch viel schneller sein, während das Buch in dem Tempo gelesen wird, das die Leserin wählt.

Die obligatorische Frage: Wie bist Du eigentlich auf die Idee eines Buchblogs gekommen?

Das fragen mich tatsächlich sehr viele. Mein Vater hat mir mal erzählt, was ein Buchblog ist. Ich war begeistert und wollte das auch machen. Er hat mir dann bei der Erstellung der Website geholfen. Zuerst war es überhaupt nicht ernst, ich hab ab und zu mal eine Rezension geschrieben, aber wer hat das gelesen ausser mir? Man muss schliesslich auch Werbung betreiben und sich bekannt machen. Dann habe ich angefangen mit Instagram, das hat sicher viel geholfen. Es war aber alles sehr planlos und spontan. Ich würde behaupten, das ist es auch immer noch. Ich lasse meiner Kreativität freien Lauf und mache deshalb auch einmal ein Interview mit einer Bachelorette oder schreibe eine Konzertkritik! Ich mache einfach das, auf was ich Lust habe und ich denke, das macht meinen Blog auch aus. Ich schreibe über die Bücher, die ich auswähle und führe Interviews mit Autorinnen und Autoren, die ich treffen will und nicht unbedingt die, die alle lesen wollen. Also alles recht spontan, aber mit viel Disziplin, das braucht es.

Auf Deinem Blog kritisierst Du vor allem Bücher. Hättest Du nicht Lust, selber eines zu schreiben?

Ja, ich habe auch schon mehrmals angefangen. Ich habe da jedoch das Problem, dass ich da nicht genügend Durchhaltevermögen habe, beziehungsweise mehr den Glauben an meine eigene Idee verliere, da ich so kritisch geworden bin, dass ich dann die Fehler in meiner eigenen Geschichte erkenne. Und anstatt die Fehler auszuarbeiten, was ja möglich ist, lasse ich es dann sein. Ich bin mir aber sehr sicher, dass ich irgendwann etwas schreiben werde, ob es dann veröffentlicht wird, ist die andere Frage. Aber derzeit habe ich nicht die Kapazitäten und auch nicht die Ausdauer dafür. Und ich muss ja auch noch nicht alles jetzt gemacht haben.

Du schreibst vor allem über Jugendbücher. Allerdings ist dieses, wenn man sich in der Literaturszene ein wenig umhört, ziemlich in der Krise. Teilst Du diese Einschätzung? Und woran liegt das?

Über dieses Thema habe ich auch schon auf meinem Blog geschrieben. Das Jugendbuch hat das Problem, dass es sich nicht gut verkauft. Und es wird sich auch nie besonders gut verkaufen. Denn das Interesse im jugendlichen Alter am Lesen ist gering und nimmt sogar noch ab. Man hat viel mehr Möglichkeiten als als Kind. Als Kind kommst Du in die Schule, Du willst Lesen lernen, bzw. musst von der Schule aus. Und in der Primarschule hast Du auch nicht diese Vielfältigkeit an Medien, Du bist noch nicht so aktiv auf Netflix oder Youtube unterwegs. Es ist auch noch „cooler“, ein Buch zu lesen. Im jugendlichen Alter verteilt sich das, der Druck wird immer höher und man muss immer mehr leisten. Die meisten haben auch viele Hobbies, dadurch wird noch mehr Zeit in Anspruch genommen. Die Möglichkeiten, ein Buch zu lesen im jugendlichen Alter sind wesentlich kleiner. Das Interesse ist auch bedeutend weniger da, da es nicht so „cool“ ist.

Wie kann man dem entgegenwirken?

Nun, ich habe das Gefühl, dass die, die gerne lesen würden, nicht entsprechend gefördert werden darin. In der Schule liest man viele Bücher, die sprachlich extrem komplex oder thematisch nicht sehr ansprechend sind für viele Jugendliche. Natürlich sind das grosse literarische Werke, die auch sehr wichtig sind, aber ich denke durch diesen Zwang nimmt man vielen Jugendlichen, die gerne lesen würden, die Freude daran. Denn wenn sie die ganze Zeit Bücher lesen müssen, die sie eigentlich kaum interessieren, verringert sich auch das Interesse an einem anderen Buch.

Ausserdem fördert der Buchhandel das Jugendbuch meiner Meinung nach viel zu wenig. Es fängt damit an, dass wir im Jugendbuchbereich wenig ausgebildete Buchhändlerinnen und Buchhändler haben, die wirklich Ahnung von der Thematik haben. Dann begegnet man in einer Buchhandlung einem Sortiment, welches aus den letzten dreissig Bestsellern besteht, aber nicht wirklich interessant ist. Dadurch kommt es, dass jeder mal dieselben fünf Bücher gelesen hat, aber nicht wirklich Ahnung hat vom Markt. Das Jugendbuch steckt in einer Krise und wird auch in einer Krise stecken bleiben, da bin ich mir sehr sicher. Man muss eine Veränderung machen, man muss mitgehen mit der Zeit, man muss akzeptieren, dass das Buch nicht das beliebteste Medium bei der Jugend ist, aber man muss versuchen, die Jugendlichen, die gerne lesen, gezielter anzusprechen. Die Behauptung, dass Jugendliche nicht lesen, bringt da auch nicht viel.

Eine Möglichkeit ist da das Hörbuch.

Ich persönlich mag Hörbücher sehr gerne, ich höre auch viele, da ich dadurch Dinge höre, die ich sonst nicht lesen würde. Aber auch Hörbücher sind, denke ich, nicht die ideale Möglichkeit. Denn auch da muss man sich die Zeit nehmen, man muss schon zuhören. Und genau das ist das Problem bei vielen Jugendlichen. Wir müssen immer irgendwas tun und können uns schwer auf etwas fixieren. Wir gehen in die Schule, machen Hausaufgaben, haben Proben oder Sport. Wir nehmen uns zu wenig Zeit, mal nur eine Sache zu tun.

Ich denke, das Jugendbuch braucht mehr Begeisterung. Begeisterung von Seiten der Verlage, der Autorinnen und Autoren, vom Buchhandel und den Medien. Die Medien beachten das Jugendbuch sowieso viel zu wenig. Man schlägt eine Zeitung auf, sieht Hunderte Buchempfehlungen, darunter jedoch keine einzige für ein Jugendbuch. Und dann meckern alle darüber, dass die Jugend nicht liest.

Wo siehst Du Dich in zehn Jahren? Was hast Du vor in der Zukunft?

Ich bin mit dem Ziel an das Gymnasium gegangen, dass ich Psychologie studieren will, ich finde es sehr interessant, wie der Mensch funktioniert. Ich konnte es noch nie nachvollziehen, wenn Kinder an psychischen Problemen leiden aufgrund von äusseren Umständen. Es wäre eines meiner Ziele, Kindern helfen zu können. Das fände ich sehr interessant, aber andererseits fasziniert mich auch die Literaturbranche sehr. Gerade das Verlagswesen, wie kriegt man einen Leser dazu, dass er dieses Buch kauft und nicht jenes. So etwas könnte ich mir auch sehr gut vorstellen.

Auf Deinem Blog hast Du auch die Bachelorette 2018, Adela Smajic interviewt, die ja nicht wirklich in Deine Thematik passt. Wie ist es dazu gekommen?

Ja, das ist eine witzige Geschichte. Ich bin ein bekennender Trash-TV-Schauer und habe Bachelorette geschaut. Und da sie ja aus Basel kommt und recht sympathisch wirkte, hab ich eine Mail geschrieben und um ein Interview gebeten. Zwei Wochen später kam die Zusage.

Noch als letzte Frage meinserseits: was liest Du im Moment?

The Belles – Schönheit regiert von Dhonielle Clayton. Ihr Roman über Schönheitswahn ist eine Dystopie, das heisst ein pessimistisches zukünftiges Weltbild. Ich finde es immer sehr interessant, wenn gesellschaftskritische Themen verpackt werden in Unterhaltungsliteratur. So wird man gut unterhalten, aber es gibt die Möglichkeit über das Thema nachzudenken. Und gerade Schönheitswahn ist ein wunder Punkt in der heutigen Gesellschaft. Ich bin gespannt, wie die Autorin das umsetzen wird.

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