Der aussergewöhnliche Hunter S. Thompson

Hunter Stockton Thompson war ein Mensch grösser als das Leben selbst. Ein Journalist ohne Grenzen. Ein wirrer Windhund auf der Jagd nach der hinteren Stossstange eines vorbeifahrenden Autos, welches ihn letzlich abhängte. Er lebte nach seinen eigenen Regeln zu seiner eigenen Zeit, oft zum Verdruss seiner Mitarbeiter, seiner Vorgesetzten und dem Gesetz. Nur kann man in Hunter S. Thompsons Erzählungen selten Wahrheit von kompletter Erdichtung unterscheiden, was seiner Persönlichkeit eine mysteriöse Aura verleiht.

Geboren in den 1930er im Süden der USA war Hunter S. Thompson nach einer schweren Jugend zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um sich 30 Jahre später der Hippie-Gegenkultur anzuschliessen. Seit seiner frühen Jugend ein Dissident und quergestellt zum Gesetz, fand er sich schnell zurecht und schrieb für eine Zeitung im Untergrund an der Universität Berkeley in Kalifornien. Der geborene Kritiker Thompson fand auch in dieser scheinbar gänzlich positiven Bewegung Mängel und beklagte den Kursverlust der Hippie-Bewegung. Sie schien ihm noch vor dem dem “Sommer der Liebe” 1967 alle politischen und künstlerischen Überzeugungen verloren zu haben. Den Bruch und Rückzug der Hippie-Welle bearbeitete Thompson in seinem wohl bekanntesten Buch, Angst und Schrecken in Las Vegas (1971).

Im Buch begeben sich Raoul Duke (ein Künstlername Thompsons) und sein Anwalt Dr. Gonzo auf einen Trip nach und in Las Vegas auf der Suche nach dem verlorenen Amerikanischen Traum. Doktor Gonzo ist ein Deckname für einen echten Anwalt namens Oscar Zeta Acosta, den Thomson nach Las Vegas fuhr, um mit ihm dort in Ruhe ein Interview zu führen.

Gonzo ist auch der Name des von Hunter S. Thompson erfundenen journalistischen Stils. “Gonzo”-Journalismus ist charakterisiert durch eine aggressive Beteiligung des Autors am Geschehen selbst. So schreibt man im Gonzo mehr über den Autor Geschichte, als die Geschichte selbst, ohne diese aus den Augen zu verlieren.

Thompson gab dem Gonzo-Stil das Symbol einer roten Faust mit zwei Daumen.

Thompsons Artikel über ein jährliches Pferderennen in Kentucky, The Kentucky Derby Is Decadent And Depraved (1970), dient als erstes Beispiel für seinen neuen Stil. Darin schreibt Thompson über seine erste Begegnung mit einem schüchternen britischen Illustrator namens Ralph Steadman. Thompsons eigentlicher Auftrag, das Pferderennen – ein öffentliches und bundesstaatweit bekanntes Gelage an Alkohol, Glücksspiel und Gewalt – dient dabei lediglich als Bühnenbild. Steadman und Thompson beteiligen sich darauf vollen Herzens an den Festlichkeiten des Kentucky Derby. Was heisst, dass sie sich masslos betrinken.

In diesem Moment tritt die für den GonzoJournalismus typische Reflexion ein: Steadman bemerkt den heruntergekommenen Zustand der beiden und wirft ein, dass obwohl sie beide hergekommen waren um über die Dekadenz und Verdorbenheit des Kentucky Derby zu berichten, sie durch ihre Beteiligung daran auch dekadent und verdorben worden waren.

Darauf antwortet Thompson mit Pfefferspray und wirft Steadman vor dem Flughafen aus seinem Auto.

Hunter S. Thompsons und Ralph Steadmans Zusammenarbeit zog sich bis Thompsons Ableben im Jahr 2005 durch.

Exzess in Drogen und Dissidenz wie in diesem ersten Artikel zog sich danach durch alle Publikationen von Hunter S. Thompson. Durch seine Artikel und autoritätsfeindliche Haltung gewann Thompson schnell an Berühmtheit in Kreisen des Untergrunds.

Auf der “Freak Power”-Plattform kandidierte Thompson 1970 sogar als Sheriff für einen Bezirk Colorados, wobei er knapp an einem Wahlsieg vorbei schlitterte. Seinen Wählern versprach Thompson eine Dekriminalisierung von Drogen, die Entwaffnung der lokalen Polizeikräfte und die Verwandlung aller Strassen in begrünte Fussgängerpassagen. Um Investoren, welche die Landschaften verwüsteten, abzuschrecken, wollte Thompson die Stadt Aspen auf “Fat City” umbenennen. Seine Kandidatur verlor Thompson nur um 31 Stimmen, wobei sein republikanischer Kontrahent 204 Stimmen einholte.

Politik blieb ein treibendes Thema für Thompson und er schrieb ausführlich über die Wiederwahl und Präsidentschaft von Richard Milhouse Nixon, welchen Thompson leidenschaftlich verachtete.

Richard Nixon war von 1968 bis 1974 der 37. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Er musste sein Amt im Angesicht einer Anklage aufgeben. Beschuldigt wurde er unter anderem der Korruption, dem Missbrauch politischer Institutionen, dem illegalen Abhören politischer Gegner und dem Anordnen von Einbrüchen in Büros derselben. Mit Inbrunst schrieb Thompson Berichte über das Geschehen für das Rolling Stone Magazin. Nach Nixons Rücktritt hatte Thompson seine Nemesis verloren und so sehr an Popularität gewonnen, dass es ihm schwer fiel, sich noch weiter journalistisch zu beschäftigen und er zog sich auf seine Ranch in Colorado zurück.

Bis an sein Lebensende verweilte Hunter S. Thompson auf seiner “Eulenfarm”. So taufte er seine Ranch. Immer in Gesellschaft von prominenten Schriftstellern, Filmregisseuren und Schauspielern. Diese Freunde und Besucher konditionierten Thompson auf seine Arbeitszeiten und unterhielt sich mit ihnen meistens bei Nacht. Diese Angewohnheit von Thompson, ausschliesslich in der Nacht zu arbeiten, war womöglich die Inspiration für den Namen seiner Ranch.

Nach seinem Selbstmord im Jahr 2005 wurde Hunter S. Thompson von seinem engen Freund Johnny Depp per Kanone bestattet. Thompson hatte seine eigene Beerdigung schon knapp zwei Jahrzehnte vor seinem Tod durchgeplant. Diese bestand aus einer 47 Meter hohen Säule mit der doppeldäumigen roten Faust des Gonzo darauf, welche eine Kapsel mit Thompsons Asche in Begleitung von Feuerwerk und Bob Dylan in die Luft schoss.

So exzentrisch wie Hunter S. Thompson im Leben war er auch im Tod.

die letzten 13 Jahre ein wenig an Beliebtheit verloren zu haben. Sein absurdes, gar an Paranoia grenzendes, Hinterfragen von allem und jedem ist in der heutigen politischen Landschaft jedoch wichtiger und nützlicher denn je. Hunter Stockton Thompson und seine Werke sind es wert, nicht in Vergessenheit zu geraten. Kommen wir ihm doch ein wenig entgegen.

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