Im Sudan herrschte für viele Jahre Bürgerkrieg. Bild: Pixabay

Die Geburt einer Nation

Über die Voraussetzungen und Gründe zur Bildung eines Staates

Jeder stellt sich sicher einmal im Leben die Frage, wie es wäre, Herrscher über sein eigenes Land zu sein. Diese persönliche Utopie wirkt auf den ersten Blick verlockend, doch was braucht es überhaupt, um als Staat gelten zu können und wie erlangt man internationale Akzeptanz? Es sind diese zentralen Aspekte, über die sich die wenigsten Gedanken machen, die aber gleichzeitig die entscheidenden Fragen sind und über welche sich selbst die Rechtswissenschaft streitet.

Das grösste Problem bei der Deklaration «Staat» ist das Fehlen
einer allgemeingültigen Definition. Bei juristischen Vorlesungen in öffentlichem Recht und im Völkerrecht hat sich jedoch die «Drei-Elemente- Lehre» von Georg Jellinek als Grundlage etabliert. Nach dieser muss ein Staat ein durch Grenzen festgelegtes Territorium (Staatsgebiet) mit einem Staatsvolk und einer souveränen Herrschaftsgewalt haben, egal welche Staatsform dabei angewendet wird.

Um jedoch international als Staat angesehen zu werden, ist eine offizielle und verbindliche Proklamation – also eine offizielle Bekanntmachung – unumgänglich. So wird mitgeteilt, dass der neue Staat existiert und das Recht staatlicher Selbstverwaltung für sich beansprucht. Ein aktuelles Beispiel: Erst am 18. Juli 2017 haben prorussische Separatisten in der Ostukraine den neuen Staat «Malorossija» (Kleinrussland) proklamiert.

Ab diesem Moment können die anderen Nationen den neuen Staat anerkennen oder seine Selbstständigkeit explizit ablehnen.

So könnte sich grundsätzlich jede Gebietseinheit als Staat bezeichnen. Fraglich ist nur, ob sie offiziell anerkannt, akzeptiert und ernst genommen wird oder nicht.

Bei fehlender Anerkennung wird der Status «Staat» jedoch nicht in Frage gestellt, sondern es wird die Integration in die internationale Gemeinschaft verweigert oder die Existenz des neuen Staates schlichtweg ignoriert, wie zum Beispiel bei sogenannten Mikronationen. Ob sich aber nicht anerkannte Staaten ebenfalls als Staat bezeichnen lassen können und ob sie fähig sind, auf internationalem Parkett normal zu agieren, ist eine Frage, die sich nicht eindeutig klärend beantworten lässt. Beispiele für sogenannte De- facto-Regimes sind: Kosovo, Palästina, Westsahara oder Nordzypern.

In der heutigen Zeit ist die Entstehung eines neuen, ernstzunehmenden Staates, ob anerkannt oder nicht, ein seltenes Ereignis, vor allem aus dem Grund, dass jedes begehbare und teilweise bewohnte Land mit der Ausnahme der Antarktis schon zu einem Staat gehört. Daraus folgt, dass die Grundvoraussetzung zur Bildung eines neuen Staates entweder die Abspaltung einer Region von einem weiterbestehenden Staat ist, auch genannt Sezession (wie z.B. die Abtrennung Eritreas von Äthiopien). Oder aber kann es zur kompletten Auflösung eines Staates in mindestens zwei neue Staaten, auch genannt Dismembration, kommen (siehe z.B. den Zerfall der Tschechoslowakei in Tschechien und Slowakei). Die dritte Möglichkeit ist die Fusion schon bestehender Staaten zu einem neuen Staat.

Hauptgrund einer Sezession oder einer Dismembration ist meist eine lang anhaltende Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Ursachen von Missmut und Unruhen sind oft wirtschaftliche Krisen, aber auch politische Unterdrückung und die Benachteiligung von Bevölkerungsgruppen oder Landesregionen. Als Folge kann es dann zu Bürgerkriegen und schliesslich Sezession oder Dismembration kommen, wie zum Beispiel bei der Entstehung des Südsudans. Vor der entscheidenden Volksabstimmung zur Abspaltung vom Sudan im Jahre 2011 herrschten zwischen 1955 und 1972, wie auch zwischen 1983 und 2005 zwischen dem Norden und dem Süden des Sudans Bürgerkrieg. Wie im Falle Jugoslawiens oder der Sowjetunion kann jedoch auch die Dismembration Auslöser für Kriege sein.

Im Zuge der Auflösung Jugoslawiens gab es im betroffenen Gebiet während 20 Jahren regelmässig Kriege, welche auch als «postjugoslawische Kriege» bezeichnet werden. Auch sind neugegründete Staaten oft sehr instabil und somit anfälliger für Korruption und diktatorische Herrschaftssysteme. Im Südsudan zum Beispiel herrscht seit 2013 Bürgerkrieg und das nach nur zwei Jahren der oben erwähnten Unabhängigkeit. Auch die Ukraine hat es nach der Unabhängigkeit von der UdSSR vom Jahre 1991 nie geschafft, zu einem vollkommen funktionierenden Staat zu werden. Es ist heute das zweitärmste Land Europas, leidet unter der stetig sinkenden Bevölkerungszahl und lebt unter der ständigen Existenzbedrohung durch Russland.

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