Illustration: Angelica Bebing

Eine Reise in die Vergangenheit

Jesse Owens, der Dorn im Auge der Nazis

3. August 1936, Berlin Olympiastadion. Es ist kurz vor 17 Uhr. Die Luft im Stadion ist spürbar angespannt. Jesse Owens steht an der Startlinie zum olympischen 100m Sprint Finale der Männer. Startblöcke gibt es noch nicht. Als Starthilfe werden mit einer Schaufel Löcher in den Boden gegraben. Jesse ist in Startposition und wartet auf den Startschuss. Nicht weniger als 3 Goldmedaillen will Jesse an diesen Olympischen Spielen gewinnen. Er hat gute Chancen dazu. Im Jahr zuvor gelang ihm bei einem Wettkampf in Michigan eine herausragende Leistung. Innerhalb von 45 Minuten pulverisiert er fünf Weltrekorde. Tags darauf ist in der Presse nicht viel über ihn zu lesen. Kein Reporter hat ein Interview mit ihm gemacht. Über einen Afroamerikaner berichtet man nicht.

Jesse, der mit vollem Namen James Cleveland Owens heisst, wächst in Alabama auf. Es herrscht strikte Rassentrennung. Afroamerikaner dürfen nicht die gleichen Toiletten wie die weisse Bevölkerung nutzen. Parkbänke sind den Weissen vorbehalten. Afroamerikaner sind als minderwertig angesehen, von der Gesellschaft ausgegrenzt und der Gewalt durch Weisse ausgesetzt. Nach seinem Highschoolabschluss könnte Jesse nur auf eine Universität für «Schwarze» gehen. Er entscheidet sich deshalb im Norden an der Ohio State University zu studieren. Diese liegt nördlich der Mason-Dixon Line, der Linie die historisch gesehen die Nord- und Südstaaten trennt. Dort bekommt er aufgrund seiner sportlichen Leistungen ein Stipendium. Im Gegensatz zu seinen weissen Mitstreitern kann er aber aufgrund der Rassendiskriminierung keine Wettkämpfe in den Südstaaten bestreiten. Die Folge ist ein halbleerer Wettkampfkalender. Das Talent von Jesse Owens ist allerdings unbestritten und so kann er 1936 an die Olympischen Spiele in Berlin fahren.

Die Spiele wurden 1931 noch vor Adolf Hitlers Machtergreifung 1933 an die Reichshauptstadt vergeben. Sie kommen den Nazis äusserst gelegen. Das dritte Reich wird von vielen Ländern kritisch betrachtet. Für die Nazis bietet sich nun die Möglichkeit ihr internationales Ansehen zu verbessern. Die Olympiade steht ganz im Zeichen der NS Propaganda. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich einige Nationen, darunter auch die USA, überlegen nicht daran teilzunehmen. Im Vorfeld entsendet die USA den Präsidenten des amerikanischen olympischen Komitees Avery Brundage nach Deutschland, um sich ein Bild der Lage vor Ort zu machen. Dieser kehrt mit der Aussage zurück, dass die Deutschen die olympischen Regeln respektieren würden, somit stand nichts im Wege und die USA nimmt an den Spielen teil. Über Avery Brundage weiss man heute, dass er ein Rassist und Antisemit war. Auch Jesse selbst steht den Spielen sehr kritisch gegenüber, in einem Land, in dem Schwarze und Juden diskriminiert würden, wolle er nicht teilnehmen. Schlussendlich ist es aber auch eine Chance, um die Stärke der Afroamerikaner zu beweisen und der jüngeren Generation ein Vorbild zu sein.

Im Gegensatz zu seinen weissen Mitstreitern kann er aber aufgrund der Rassendiskriminierung keine Wettkämpfe in den Südstaaten bestreiten.

Die Spiele wurden 1931 noch vor Adolf Hitlers Machtergreifung 1933 an die Reichshauptstadt vergeben. Sie kommen den Nazis äusserst gelegen. Das dritte Reich wird von vielen Ländern kritisch betrachtet. Für die Nazis bietet sich nun die Möglichkeit ihr internationales Ansehen zu verbessern. Die Olympiade steht ganz im Zeichen der NS Propaganda. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich einige Nationen, darunter auch die USA, überlegen nicht daran teilzunehmen. Im Vorfeld entsendet die USA den Präsidenten des amerikanischen olympischen Komitees Avery Brundage nach Deutschland, um sich ein Bild der Lage vor Ort zu machen. Dieser kehrt mit der Aussage zurück, dass die Deutschen die olympischen Regeln respektieren würden, somit stand nichts im Wege und die USA nimmt an den Spielen teil. Über Avery Brundage weiss man heute, dass er ein Rassist und Antisemit war. Auch Jesse selbst steht den Spielen sehr kritisch gegenüber, in einem Land, in dem Schwarze und Juden diskriminiert würden, wolle er nicht teilnehmen. Schlussendlich ist es aber auch eine Chance, um die Stärke der Afroamerikaner zu beweisen und der jüngeren Generation ein Vorbild zu sein.

Die Eröffnungszeremonie wird zur grossen Show und Machtdemonstration Hitlers. Alle 110’000 Plätze des Berliner Olympiastadions sind besetzt. Im Vorfeld findet eine Militärparade statt. Im Stadion rufen alle «Heil Hitler» und strecken ihre Hand zum Hitlergruss aus. Altgriechische Traditionen und Symbole werden zur eigenen Inszenierung gebraucht. Zum ersten Mal in der Geschichte der modernen Olympischen Spielen findet der Fackellauf von Olympia bis zum Austragungsort statt. Auch der Medaillenspiegel zum Vergleich der verschiedenen Nationen wird eingeführt. Deutschland gewinnt diesen am Ende der Spiele.

Um kein Aufsehen zu erregen wird der Judenhass während Olympia zurückgefahren. Am KZ Sachsenhausen wird jedoch auch während der Spiele weitergebaut. Jüdische Sportler dürfen an den Spielen teilnehmen. Allerdings bereitet es den Sportlern viele Schwierigkeiten, da sie im Vorfeld zum Teil nicht an der Qualifikation teilnehmen dürfen.

Die Eröffnungszeremonie wird zur grossen Show und Machtdemonstration Hitlers.

Die deutsche Hochspringerin Gretel Bergmann floh bereits vor den Spielen nach England. Für die Olympischen Spiele muss sie wieder nach Deutschland zurückkehren, da ihr bei Verweigerung mit Misshandlungen ihrer Familie, die noch in Deutschland lebt, gedroht wird. In der Qualifikation stellt sie einen neuen deutschen Rekord auf. Danach wird sie ausgeschlossen, aus Angst eine Jüdin könnte eine Goldmedaille gewinnen. In einem Brief vom Haus des deutschen Sports am 16.07.1936 erklärt man ihr: Der deutsche Reichssportführer, der die Mannschaft für die Olympischen Spiele auswählte, hat es nicht vermocht, Sie in die Mannschaft, die Deutschland in der Zeit vom 1. Bis 9. August im Olympia Stadion vertreten wird, einzureihen. Nur drei Aktive konnten in jedem Wettbewerb – ausgenommen die Staffel – berücksichtigt werden. Sie werden auf Grund der in der letzten Zeit gezeigten Leistungen wohl selbst nicht damit gerechnet haben.

Auch Jesse Owens wird als «Untermensch» angesehen. Anders als in den USA darf er aber im Olympischen Dorf im gleichen Gebäude essen und schlafen wie seine weissen Kollegen. Schwarze Athleten werden in dieser Hinsicht gleich behandelt, eine grosse Überraschung für Jesse.

Der Startschuss zum 100m Sprint Finale der Männer fällt. Es ist die Königsdisziplin dieser Spiele. Die Vorläufe hat Jesse alle dominiert und auch im Finale ist er gleich zu Beginn wieder an der Spitze. Er läuft auf der innersten Bahn. Aus dem Publikum hört man Anfeuerungsrufe. Die Männer laufen alle in kurzen weissen Shorts. Das Trägerhemd haben sie in die Hose gesteckt. Jesse läuft und läuft. Seine Beine tragen ihn schneller als die der anderen Athleten. Auf der äussersten Bahn kommt ein Athlet nochmals ein wenig an ihn heran. Die Ziellinie kommt näher. Ein überlegener Sieg in 10,3 Sekunden. Im wichtigsten Rennen der Spiele dominiert der dunkelhäutige Jesse Owens. Ein Skandal für Hitler.

Ein überlegener Sieg in 10,3 Sekunden. Im wichtigsten Rennen der Spiele dominiert der dunkelhäutige Jesse Owens. Ein Skandal für Hitler.

Am nächsten Tag findet die Qualifikation im Weitsprung statt. Die Deutschen haben mit Luz Long, der nach Hitlers Vorstellungen der perfekte Arier ist, einen sehr starken Athleten am Start. Er trägt kurzes blondes Haar, ist muskulös und weisser Hautfarbe. Während Jesse am gleichen Tag noch seine Vorläufe für die 200m bestreiten muss, kann sich Luz voll auf den Weitsprung fokussieren. Er schafft die Qualifikation locker. Jesse ist nach zwei Fehlversuchen unter Druck, da gibt ihm Luz einen entscheidenden Tipp und legt ihm ein Handtuch als Markierungspunkt hin. Jesse qualifiziert sich mit dem letzten Versuch. Im Finale ist Jesse wieder eine Klasse für sich. Erster Gratulant zur Goldmedaille ist Luz Long. Er umarmt ihn. Hand in Hand laufen sie zur Tribüne. Für Hitler eine unverständliche Geste. Luz bekommt danach gesagt, er solle nie wieder einen «Neger» umarmen. Am selben Tag schreibt Propagandaminister Joseph Goebbels in sein Tagebuch:

«Wir Deutschen erringen eine Goldmedaille, die Amerikaner drei, davon zwei durch Neger. Das ist eine Schande. Die weisse Mehrheit müsste sich schämen.»

Jesse hört nicht auf zu gewinnen. Er gewinnt auch den 200m-Lauf. Für die 4x100m Staffel ist er eigentlich nicht vorgesehen. Doch kurz vor dem Start werden zwei jüdische Athleten durch Jesse Owens und einen anderen dunkelhäutigen Athleten ersetzt. Jesse bekommt die Chance auf eine weitere Goldmedaille und nutzt diese. Er ist der Held der Olympischen Spiele. Für Hitler eine Schmach. Wie kann ein «Untermensch» gewinnen, fragt er sich. Jesse wird danach von der Gestapo strengstens überwacht. Die überwältigenden Erlebnisse und sein sympathisches Lächeln kann ihm aber niemand nehmen.

Zu Hause in den USA herrscht allerdings keine Euphorie für seine Leistungen. Er wird weder gefeiert noch von Präsident Franklin D. Roosevelt ins Weisse Haus eingeladen. Dieser fürchtet im Wahlkampf um seinen Ruf. Die Zeit nach den Spielen ist für Jesse schwierig. Er muss sich mit verschiedenen Jobs über Wasser halten. Erst 1955 verbessert sich seine finanzielle Situation, als er von Präsident Eisenhower zum «Botschafter des Sports» ernannt wird. 1980 stirbt er in Tucson. Es ist die Geschichte eines Weltstars, der erst sehr spät Anerkennung für seine Leistungen erhielt.

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