Symbolbild. Foto: Igor Starkov, Pexels

Es hapert beim Datenschutz

Ein Erklärungsversuch in drei Teilen

Es gibt zwei Wege, ein System zu kritisieren. Man könnte es grundsätzlich ablehnen. Dies kann seine Berechtigung haben, doch tun wir uns oft schwer, danach wirklich eine bessere Alternative zu finden oder uns diese nur schon konkret vorzustellen. Das Fazit ist dann oft: Das System ist schlecht. Punkt. Oder man kann einzelne Aspekte innerhalb eines Systems kritisch hinterfragen, ohne das Ganze als solches abzulehnen. Ziel dabei ist, das System von innen zu verbessern. Statt dass wir die Maschine einfach verschrotten, ölen wir sie und ersetzen einzelne Teilchen. Hin und wieder kann es also vorkommen, dass man, ohne es beabsichtigt zu haben, auf ein loses Teilchen stösst. Auf eine Stelle, die schon lange niemand mehr kontrolliert hat und die die Maschine eher schwächer macht als effizienter. Eine Stelle also, wegen der alles ein wenig ins hapern kommt. Auf eine solche Stelle stiess ich an der Jugendsession letzten Herbst, als ich einen Artikel für das Magazin der Veranstaltung schreiben durfte. Der folgende Text ist eine leicht abgeänderte Version davon. Er zeigt, wo es hapert. Im Datenschutz. Und im Politikbetrieb.

Gesetz ohne Biss

Der EDÖB ist die Behörde des Bundes, welche für den Datenschutz zuständig ist. Sie soll die Öffentlichkeit sensibilisieren, Unternehmen auf die Finger schauen, sowie diese und die Bevölkerung in Sachfragen beraten. Wenn aber ein Unternehmen gegen das Gesetz verstösst, kann das EDÖB lediglich eine Empfehlung abgeben und nur Privatpersonen können eine Klage erheben. «Die Sanktionsmöglichkeiten sind zu eingeschränkt», fasst es Erik Schönenberger von der Digitalen Gesellschaft zusammen, einer NGO, die sich für die Rechte im Internet einsetzt. Das Datenschutzgesetz in seiner jetzigen Form ist also ein Zahnrad ohne Zähne. Es ist nicht griffig. Und dies, obwohl es bis Mai so verschärft werden müsste, dass es den Vorgaben der EU entspricht. Ansonsten könnte die Schweiz die Gleichwertigkeit im Datenschutz verlieren. Und dies wäre, simpel gesagt, schlecht. Doch das könnte sich mit der neuen Version ändern. Ein viel grösseres Problem ist der zweite Punkt, welcher mit Sicherheit noch länger zu reden geben wird.

Behörde mit Stellenknappheit

Vor knapp 15 Jahren forderte Hanspeter Thür, der damalige Datenschutzbeauftragte, für seine Behörde einen Stellenausbau im zweistelligen Bereich. Dieses Jahr hiess es im hauseigenen Bericht, dass die Mittel des EDÖB nicht an die Herausforderungen der Digitalisierung angepasst wurden. So könnten Unternehmen nicht genug kontrolliert werden und man werde darauf beschränkt, nur auf die grössten Probleme zu reagieren, anstatt glaubwürdig und angemessen handeln zu können. So weit, so normal. Viele Departemente und Behörden bitten den Bundesrat Jahr für Jahr, er möge ihnen doch neue Stellen bewilligen. Dieser ist bei deren Schaffung immer zurückhaltend, da er die Verwaltung nicht weiter anwachsen lassen will. Was allerdings doch sehr erstaunt: In einer Zeitspanne, in der zehn Generationen Smartphones entstanden sind, Edward Snowden systematische Überwachung enthüllte und sich Daten zur neuen Währung entwickelten. In einer Zeitspanne also, in der die Digitalisierung die prägende Entwicklung war und immer noch ist, hat sich die Zahl der Angestellten beim EDÖB fast nicht verändert. Während die Wichtigkeit der Daten exponentiell stieg, kamen etwa drei Mitarbeitende hinzu. Man muss keine Fachperson sein, um zu merken, dass dies auf die Länge nicht aufgehen kann. Davon betroffen ist unter anderem die Bevölkerung, welcher nicht garantiert werden kann, dass die Unternehmen sich an die Regeln halten, wenn sie mit persönlichen Daten hantieren. Die Kontrolldichte ist zu tief und man hat keine Leute, um diese zu intensivieren. Angesprochen auf die wenigen Stellen im EDÖB meint Philippe Wenger von der Organisation Lobbywatch, einer Plattform für transparente Politik: «Bürgerliche und wirtschaftsliberale Parteien sprechen sich grundsätzlich gegen mehr Stellen in der Verwaltung aus.» Und eine unterbesetzte Bundesverwaltung führt zu einem schwächeren Staat, der der Wirtschaft weniger gut auf die Finger schauen kann. «Das bürgerliche Parlament möchte keinen starken Datenschutz», findet auch Erik Schönenberger. Weder im Gesetz noch in der Umsetzung. Dies führt uns zum dritten Punkt. Während man bis jetzt das Ausmass der Probleme noch relativ gut abschätzen konnte, stellt sich das nächste als kniffliger heraus.

Intransparentes Lobbying

Obwohl Lobbying vor allem negativ in den Medien auftaucht, ist es erst einmal völlig legitim. Denn die Parlamentsmitglieder können nicht in allen Gebieten Fachpersonen sein, mit dem Lobbying wird genau dieses fehlende Wissen in das Gesetz eingespeist. Problematisch wird es erst, wenn Lobbying weder transparent abläuft, noch reguliert wird, was in der Schweiz momentan der Fall ist. Da viele Lobbyistinnen und Lobbyisten bei Agenturen angestellt sind, müssen sie ihre wahren Interessenvertretungen nicht preisgeben. Die Bevölkerung erfährt also nur mit sehr viel Aufwand, wer genau für welche Interessen wirbt. Verblüffend dabei ist, dass es nicht die Lobbyingbranche ist, welche sich gegen strengere Regeln wehrt, sondern die Parlamentsmitglieder.

«Viele gefallen sich in ihrer Funktion als Türöffner, die sie nicht aufgeben wollen.», erklärt der Bundeshauskorrespondent der Republik, Dennis Bühler. «Doch ohne Transparenz droht die Glaubwürdigkeit der Politik immer weiter beschädigt zu werden.» Noch viel wichtiger als das Lobbying von aussen sind die Interessenvertretungen direkt im Parlament. Denn fast alle National- und Ständeratsmitglieder sitzen in Verwaltungsräten von Verbänden, NGOs und Unternehmen. So können sie ganz direkt auf das Gesetz Einfluss nehmen und die Wünsche der Geldgeber bei dessen Bearbeitung berücksichtigen. Ganz abstrus wird es, wenn die Personen mit Interessenvertretungen in der Überzahl sind, wie beispielsweise in der Gesundheitskommission. Während die Parlamentsmitglieder möglichst tiefe Prämien für die Bevölkerung festlegen sollen, sitzen sie in den Verwaltungsräten der Gesundheitsorganisationen und Krankenkassen, welche direkt von hohen Prämien profitieren. Bei den Stellenaufstockungen hält sich dieses Problem in Grenzen, da die Interessengruppen auf diese keinen direkten Einfluss ausüben können. Beim Datenschutzgesetz ist aber Fakt: In den zuständigen Kommissionen sitzen einige Personen mit direkten Verbindungen zu Gesundheitsorganisationen sowie zum Banken- und Versicherungssektor. Somit haben Sie zum Teil ein direktes Interesse an einem laschen Datenschutzgesetz. Oder zumindest eine gewisse Befangenheit, wenn es darum geht, die einzelnen Massnahmen auszuarbeiten. Es ist unmöglich, genau zu erfassen, wie gross dieser Einfluss ist. Klar ist aber: Die Kultur des Lobbyings ist alles andere als optimal, um am Schluss die beste Lösung für die Bevölkerung auf dem Tisch zu haben.

 

Symbolbild. Foto: Burst, Pexels

Um zu unserem Anfangsbeispiel mit der Maschine zurückzukommen:

Öl müsste her in Form von mehr Transparenz im Politikbetrieb. Nur so kann verhindert werden, dass die Parlamentsmitglieder ihre Verwaltungsratsmandate ernster nehmen als den Auftrag der Wählerinnen und Wähler. Auch müssten einige Teilchen ausgewechselt werden. Ein guter Anfang wäre da das neue Datenschutzgesetz.

Ansonsten wird es weiter hapern. Im Datenschutz und im Politikbetrieb. Und damit auch im System.

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