Freiheitsbegriff nach Karl Marx und Hannah Arendt

Freiheitsbegriff nach Karl Marx

Paula Oehry

Karl Marx (1818 – 1883) war der wohl bekannteste Philosoph, Ökonom und Gesellschaftstheoretiker des 19. Jahrhunderts. Gemeinsam mit Friedrich Engels entwickelte er die kommunistischen Theorien, welche essentiell waren für die Bildung der kommunistischen Systeme. Unter anderem schrieben sie zusammen das kommunistische Manifest, in dem sie eine Theorie und eine Weltanschauung entwickelten, welche heute als „Marxismus“ bekannt ist. Die marxsche Theorie strebte das Ziel an, die Klassengesellschaft mittels einer revolutionären Umgestaltung in eine klassenlose Gesellschaft umzuwandeln. 

Karl Marx und Friedrich Engels waren zentrale Figuren in der sozialen Frage. Ihre Theorien zeigten Lösungswege auf, um die Proletarier endgültig von der Unterdrückung durch die Bourgeoisie zu befreien. Die Proletarier sollten sich allesamt vereinen und für das Gleiche kämpfen. Als Beispiel: Alle müssen den gleichen Lohn für die Fabrikarbeit verlangen. Gibt sich jedoch einer günstiger, wird dieser genommen. Somit könnte das Ziel der klassenlosen Gesellschaft nie erreicht werden. Um das Ziel zu erreichen, müssten die vielen Lohnarbeiter:innen den wenigen Eigentümer:innen ihren Besitz nehmen, um ihn aber nicht für den Eigengebrauch zu verwenden, sondern das Eigentum abzuschaffen und zu verstaatlichen. Die Folge davon wäre, dass keine Klassen mehr existieren würden. 

Den marxschen Freiheitsbegriff wird zwischen dem positiven und negativen Freiheitsbegriff unterschieden. Der positive Freiheitsbegriff bedeutet die Freiheit „zu etwas“, was zum Beispiel die Freiheit zu bestimmten Rechten sein kann. Der negative Freiheitsbegriff dagegen meint die Freiheit „von etwas“, was die Freiheit von inneren und äusseren Zwängen bedeutet. Der marxsche Freiheitsbegriff war ursprünglich negativ und beschrieb die Freiheit von Zwang, Not und Fremdherrschaft. Marx sieht den Freiheitsbegriff sehr theoretisch und bezeichnete ihn als „teleologisch“, was bedeutet, „dass Handlungen und allgemein Entwicklungsprozesse zielorientiert ablaufen“. 

 

Karl Marx definierte zwei Metaphern. Zum einen die Metapher, welche das „Reich der Freiheit“ darstellt. Die Freiheit in diesem Fall bedeutet die „Freiheit von sachlich begründetem Zwang und Not“. Die zweite Metapher ist das „Reich der Notwendigkeit“, was das tägliche Ringen des Menschen mit der Natur darstellen sollte, wozu auch die tägliche Arbeit gehört. Der Mensch kann das „Reich der Notwendigkeit“ aber nie überwinden, da er ohne zu produzieren nicht mehr überleben könnte. Erst wenn das Überleben gesichert ist, kann man ins „Reich der Freiheit“ übergehen und somit ein Leben ohne Not führen. Somit bildet das „Reich der Notwendigkeit“ die Basis für das „Reich der Freiheit“. Eine weitere Möglichkeit zum „Reich der Freiheit“ zu gelangen, wäre die Erweiterung der Arbeitskräfte, seien dies Personen und Objekte. Bei einer Erweiterung der Arbeitskraft, wie sie in einem kapitalistischen System vorhanden ist, wären Hunger und Elend zwar nicht mehr bestimmt durch den Kampf ums Überleben, aber dennoch gegeben, durch ein repressives, menschengemachtes System. Für Karl Marx liegt die wahre Freiheit in der kommunistischen Gesellschaft, wo der Mensch frei ist von Zwang und Not.

In einer kapitalistischen Gesellschaft wäre diese Art der Freiheit nicht möglich. Der Kapitalismus sei geprägt durch Zwang und Fremdherrschaft und führe zu Verelendung, Krisen, Umweltzerstörung und der Entfremdung von sich selbst. Ohne die Ausbeutung hätten die Menschen zudem mehr Freude an der Arbeit und könnten somit besser produzieren. 

“Die Freiheit ist also das Recht, alles zu tun und zu treiben, was keinem anderen schadet. Die Grenze, in welcher sich jeder dem anderen unschädlich bewegen kann, ist durch das Gesetz bestimmt. Es handelt sich um die Freiheit des Menschen als isolierter auf sich zurückgezogener Monade”
 Karl Marx

Freiheitsbegriff nach Hannah Arendt

Linus Kleschin

Hannah Arendt (1906 – 1975) war eine deutsch-amerikanische Psychologin und Historikerin und eine der einflussreichsten politischen Theoretikerinnen des 20. Jahrhunderts. Arendt wuchs in einem deutsch-jüdischen Elternhaus auf mit Eltern, die Anhänger*innen der Sozialdemokratie waren. Dies könnte u.a. dazu geführt haben, dass sich Hannah Arendt schon in jungen Jahren für Politik interessierte. Dabei beobachtete sie die fortschreitende Spaltung der Gesellschaft zur Zeit der Weimarer Republik mit Besorgnis. Später wurden Antisemitismus und Diskriminierung, aber auch antidemokratische Strömungen und rechte Gruppierungen von der Bevölkerung immer mehr toleriert und geduldet. Diese Entwicklungen hatten massgeblichen Einfluss auf ihr Denken und somit auf ihre politische Einstellung.         

Da die Lage in Deutschland durch den aufkommenden Faschismus für Minderheiten eine massive Gefahr darstellte, musste die politische Theoretikerin im Jahr 1933 vor den Nazis nach Paris fliehen. Während des zweiten Weltkriegs wanderte Arendt dann nach Amerika aus, wo sie wichtige Beiträge zur Politik und Philosophie publizierte.

Ihre beiden wichtigsten Werke sind «Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft», worin Arendt sich mit dem nationalsozialistischen sowie dem stalinistischen Regime beschäftigt, und «Vita Activa oder vom tätigen Leben», dessen Inhalt sich mit den drei menschlichen Grundtätigkeiten Arbeiten, Herstellen und Handeln befasst. Um Arendts Forschungsinteresse und ihren Freiheitsbegriff zu verstehen, ist ihre persönliche Vergangenheit wichtig. 

Ihre Überlegungen zur Freiheit waren für sie nämlich nie nur eine intellektuelle Beschäftigung, wie Thomas Meyer in seinem instruktiven Nachwort zu ihrem Essay «Die Freiheit, frei zu sein» schreibt: «Ideen von Freiheit und Revolution und ihre grausamen Missbräuche besassen für die deutsche Jüdin stets auch eine Bedeutung in existenzieller Hinsicht.» 

Arendt setzt sich in ihren Werken intensiv mit Revolutionen auseinander und bezieht ihren Freiheitsbegriff einerseits auf die reale Politik und setzt ihn andererseits auch in einen historischen Rahmen. 

Dies lässt sich gut anhand ihres Buches «Über die Revolution» verdeutlichen. Darin schreibt sie über den Konflikt zwischen den beiden politischen Systemen zur Zeit des kalten Kriegs. Dieser lasse sich nicht durch Kriege lösen, sondern vielmehr dadurch, welche Macht zuerst erkennt, was bei Revolutionen auf dem Spiel stehe, so Arendt weiter.

Durch ihre Gedanken zu den verschiedenen Revolutionen definiert sie ihren eigenen Freiheitsbegriff. Damit jeder Mensch wirklich frei ist, darf es in ihren Augen keine Unterdrückung und Diskriminierung geben. Ein Mensch sei erst dann frei, wenn er*sie mit gleichgestellten Menschen gemeinsam am öffentlichen und politischen Leben teilnehmen darf. 

Die Publikationen Arendts haben heutzutage immer noch eine beeindruckende Aktualität: So auch in der Schweiz, wo die Frage der Freiheit mit dem neuen Terrorismusgesetz wieder stark in den Vordergrund tritt.

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