Illustration: Hannah Oehry

Gedanken zu System

Alles hat seine Ordnung und verläuft in geregelten Bahnen, der Inbegriff an Effizienz. Die Dinge werden einfacher und bequemer. Doch um welchen Preis?

Ein System wird mit jedem zusätzlichen Aspekt komplexer. Es berücksichtigt also immer nur eine bestimmte Anzahl an Variablen. Für diese funktioniert es und sie profitieren davon. Doch in unserer Welt ist alles mit allem vernetzt, Tendenz steigend. So gibt es immer Aspekte, die in einem System nicht berücksichtigt werden, aber gezwungenermassen damit verbunden sind. Sie profitieren nicht, müssen aushalten oder gar leiden. Ein System macht dementsprechend nichts anderes, als einen Teil des Netzes, eine Elite, abzukapseln, die auf Kosten von anderen profitiert. Wir können noch so geniale Systeme entwickeln, dieser Aspekt bleibt gleich, gehört regelrecht zum Wesen eines Systems. Denn alles hat seinen Preis, auch wenn wir ihn meist zu spät oder gar nicht erkennen.

Das beste System auf unserer Erde, wenn man so will, ist die Natur.

Sie funktioniert etwas anders, als unsere gewohnten Systeme. Obwohl sie eine Unmenge an Faktoren berücksichtigt, scheint sie sich über kurz oder lang immer einzupendeln. Wie gelingt ihr das? Die Grundstruktur der Natur besteht daraus, kleinere Systeme zu entwickeln, scheitern zu lassen, leicht zu verändern und wieder von vorne zu beginnen. Es besteht also immer ein Gleichgewicht an Profiteuren und Leidenden, welche durch Anpassung den Spiess umkehren oder durch etwas Neues ersetzt werden. Es ist nicht auf Effizienz, sondern nur auf den eigenen Fortbestand ausgerichtet. Die Natur setzt schlichtweg auf Zufall und Zeit, kurz Willkür.

Somit ist das “beste” System dasjenige, welches am wenigsten mit einem System als solchem zu tun hat.

Es besteht nur aus dem Kern des Zusammenfassens von Beziehungen und nicht aus dem Optimieren eines Prozesses.

Und doch scheint der Mensch von der Perfektion in Form von Effizienz und Optimierung besessen, dem Wunsch nach Ausmerzung aller Fehler, dem Übertreffen der eigenen Fähigkeiten und Zurücklassen jeglicher Menschlichkeit. Doch auch wir sind Teil der Natur und da diese nicht ausschliesslich nur Profiteure zulässt, wird uns dies nie gelingen. Ganz zu schweigen davon, dass ein solches Ziel bedeutet, dass wir nicht gewollt sind Kosten in Kauf zu nehmen. Doch in einem System hat alles seinen Preis.

So erlegen wir uns ständig neue Systeme auf und erklären die Kosten dafür als akzeptabel. Dies jedoch nur solange diese zu ertragen oder noch zu klein sind, um sie beachten zu müssen. Doch die Zeit erhöht die Kosten und wir bereuen nicht selten und versuchen die neuen Probleme mit Systemen zu lösen, die nichts Weiteres tun, als die Probleme in einen anderen Bereich zu verlagern, in dem wir sie für eine Weile nicht beachten müssen.

Doch können wir auch selber unter einem System leiden, in einem gefangen sein. Wenn wir Teil eines Systems sind, welches uns nicht passt und welches wir nicht beeinflussen können, so wird es zur Hölle. Systeme der Gesellschaft sind meist sehr tief verankert und besonders mächtig. Denn wir brauchen die Anerkennung durch andere und ein Zugehörigkeitsgefühl. So können wir uns oft nur zwischen dem bestehenden Übel oder einer ungewissen und auf uns alleingestellten Zukunft entscheiden. Sind wir stark genug, um unter dem Druck all dieser Systemen noch zu uns zu stehen?

Und doch benötigen wir Systeme für ein gutes Zusammenleben. Sie durchziehen alle Facetten unseres Lebens. Systeme setzen Grenzen, um gewisse Standards zu garantieren. Doch genauso müssen wir zwischen uns und dem Einfluss von Systemen Grenzen ziehen, um uns nicht selber zu verlieren.

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