Illustration: Hanna Weber

Im Widerspruch oder doch nicht? – Fliegen in Zeiten der Klimakrise

Ein Gespräch mit der SWISS Mitarbeiterin Rebekka Weber

Als ich Frau Weber per SMS-Nachricht (ich hatte ihre Nummer von einem Bekannten) nach einem Interview für das Magazin fragte, bekam ich eine sehr nette Zusage mit dem Anhang, dass ich sie doch bitte duzen solle. Am nächsten Sonntag sassen Rebekka und ich uns also per Zoom gegenüber. Sie wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, worum sich die Fragen kreisen würden.

Rebekka arbeitet bei der Fluggesellschaft Swiss im Customer Service, im Coreteam, und ist dort für die „HONs“ und „Senatoren“ zuständig. Beides sind Statusnamen für Vielflieger, die durch gesammelte Meilen gewisse Vorzüge geniessen. Um diesen Titel zu bekommen, muss man aber auch sehr oft in einem Flugzeug sitzen. Um ein bisschen ein Gefühl für diese Welt zu bekommen: Senator zu sein bedeutet, im Durchschnitt pro Monat mindestens einmal nach New York und wieder zurück zu fliegen. Um HON zu sein, sitzt man jede zweite Woche im Langstreckenflieger. Jeweils in der Business Class, sonst reichen die Anzahl Meilen nicht. Es kommt eben nicht nur auf die Anzahl Flüge an, sondern auch auf die Preisklasse, in der man einen Flug bucht. Was für ein Ausmass das Fliegen allgemein und auch für einzelne Personen angenommen hat, wird im Interview noch deutlicher.
Nach einer kurzen technischen Panne, wie könnte es auch anders sein, beginnen wir. Sie erzählt mir von ihrer Situation im Mutterschutz und ihren beiden Töchtern zu Hause, sowie der Coronasituation und was es bedeutet, wenn man keine Kinderbetreuung bekommen kann und deswegen noch länger von der Arbeit fernbleiben muss. Einmal entschuldigt sie sich, die Kleine weine und sie müsse kurz nach ihr schauen. Fünf Minuten später ist sie zurück und lässt sich auf alle Fragen ein.

Hat das Homeoffice, in das alle jetzt verbannt wurden, etwas an den vielen Geschäftsreisen geändert? Hast du das Gefühl, dass Zoom da viel ersetzen konnte und auch in Zukunft können wird?

Also mein Mann reist zum Beispiel sehr, sehr viel, nicht nur mit dem Flieger, sondern auch mit dem Zug oder dem Auto und er sagt, dass er es zum Teil wirklich unsinnig findet. Er ist teilweise um 4:00 Uhr aufgestanden, vier bis fünf Stunden quer durch die Schweiz oder Europa gefahren, zu irgendeinem Termin gejagt, um abends um 22:00 Uhr wieder nach Hause zu kommen. Nach einem Jahr im Homeoffice sagt er ehrlich, das brauche er nicht mehr. Das war vielleicht jetzt wirklich auch eine Zeit, in der man gemerkt hat, wo die eigenen Grenzen sind. Ich betreue auch HON’s und Senatoren, die teilweise mehr reisen als unsere Flugbegleiter und ich hoffe, dass, sicher nicht bei allen, aber bei vielen, so ein Umdenken stattgefunden hat. Weil das ist wirklich teilweise krass, wie viel da in der Welt herum gejettet wurde. Zoom ersetzt nicht alles und diesen persönlichen Austausch wird es mit Sicherheit auch in Zukunft geben, aber vielleicht nicht mehr in diesem Ausmass.

Ist der Klimawandel bei euch zu Hause ein Thema?

Für mich ist es mehr ein Thema geworden, seitdem ich Kinder habe, weil ich ganz oft denke: „Uff, was für eine Welt überlassen wir ihnen?“ Davor habe ich aber schon in eine Familie eingeheiratet, in der das Fliegen einen sehr schweren Stand hat. Wir führen auch umfang- reiche Diskussionen, kann ich dazu nur sagen. Davor, muss ich ehrlich sagen, habe ich mir nicht so viele Gedanken über das Klima gemacht.

Haben sich in dieser Hinsicht Dinge in deinem Alltag geändert?

Sind sich am Ändern, definitiv. Also gerade bei der Anschaffung von Dingen für das zweite Kind und im Haushalt. Man stellt sich viel mehr Fragen wie: Warum produziere ich hier so viel Müll? Was kann ich in meinem Bad verändern? Ich möchte doch eigentlich nur noch drei Produkte haben und am besten unverpackt. Also da bin ich auch gerade konkret dran.

Ist es manchmal schwierig, das in Einklang mit deiner Arbeit zu bringen?

Ja, definitiv. Versteh mich nicht falsch, ich bin da mit Herzblut dabei, auch gerade wenn diese Branche so in der Krise ist. Aber für mich lief vor der Coronakrise schon einiges schief. Ich reise unwahrscheinlich gerne, ich sehe unwahrscheinlich gerne viele verschiedene Kulturen und ich brauche das auch, das macht mich aus. Aber um mich herum wurde für einen Tag dahin und dorthin gejettet und da habe ich mich schon gefragt, ob das Ausmass, dass diese Branche vor Corona angenommen hat, noch das ist, worauf es ankommt. Es schien wirklich nur noch darum zu gehen: Je mehr, desto besser. Das hat mich sehr gestört.

Ich hoffe wirklich, dass wir nicht in diesem Tempo weitermachen wie davor. Meine Angst davor ist aber schon da.

Also Quantität über Qualität?

Völlig. Auch in meinem Freundeskreis.

Wie bist du zur SWISS gekommen?

Ich bin begeisterte Segelfliegerin und wollte ursprünglich Pilotin werden. Das Hobby zum Beruf machen. Das hat dann aber leider nicht geklappt. Trotzdem hat mich das internationale Arbeitsumfeld, die vielfältigen Jobmöglichkeiten und das Fliegen sehr interessiert. Über mein Studium bin ich dann auf anderem Weg bei der Fluggesellschaft gelandet.

Was bedeutet Reisen für dich?

An einen neuen, an einen anderen Ort zu gehen. Also zum Beispiel auch nur übers Wochenende in den Schwarzwald zu reisen, aber auch bis hin zu weiten Reisen. Es beginnt damit, dass ich diesen Ort, mein zu Hause, verlasse, und am besten über Nacht, an einen fremden Ort fahre.

Was reizt dich so sehr am Reisen?

Das gibt mir einfach ganz viel. Ich habe schon immer gerne andere Gegenden erkundet und andere Landschaften gesehen. Es ist mir wichtig, meinen Horizont zu erweitern. Andere Menschen, Länder und Kulturen kennenzulernen.

Nun waren viele Flugzeuge am Boden, es flogen kaum noch Leute, wie fühlte sich das an?

Ich muss ehrlich sagen, als ich die Flugzeuge aneinander gereiht am Boden gesehen habe, ich glaube das Foto war ziemlich legendär, da blutet einem als Airliner schon ein bisschen das Herz. Weil das Airline-Business ist immer auch bisschen ein emotionales Business und wenn ein Flugzeug nicht fliegt, dann stimmt etwas nicht. Das kann ich aus dem Segelfliegen sagen, ein Flugzeug gehört einfach in die Luft. Dazu kam ein beengendes Gefühl, als man nicht mehr fliegen konnte. Wir sassen alle in unseren Ländern und waren nicht mehr connected, ausser virtuell.

Ich muss ehrlich sagen, als ich die Flugzeuge aneinander gereiht am Boden gesehen habe, ich glaube das Foto war ziemlich legendär, da blutet einem als Airliner schon ein bisschen das Herz.

Wie sollte der Flugverkehr nach Corona wieder hochgefahren werden?

Ich glaube zuerst wird es wirklich so einen Flug-Boom geben. Ganz viele Menschen möchten nach dieser Zeit wieder ganz viel reisen. Auf lange Sicht wäre es aber schön, wenn wir weniger, dafür achtsamer und neugieriger reisen. Ich hoffe wirklich, dass wir nicht in diesem Tempo weitermachen wie davor. Meine Angst davor ist aber schon da.

Ist eine Bereitschaft der Firma vorhanden, ihren Flug- verkehr zu reduzieren, solange wir noch keine klimafreundlichen Flugzeugtreibstoffe haben?

Da kommt die Konkurrenz ins Spiel. Fliegen wir beispielsweise einmal weniger nach New York, fliegt die American Airline einmal mehr. Man muss ja schauen, wie man noch fair im Geschäft bleibt. Es wäre ein schlechter Deal.

Würden Gesetze helfen?

Faire Gesetze. Schaut man sich die jetzige Situation an, ist es schon kein faires Business mehr. Zum Beispiel wie die Airlines der Emirate oder Golfstaaten ihr Business in einem ganz anderen Umfeld, als wir hier in Europa, operieren können. Wir haben ja schon „Gesetze“ die etwas zur Umwelt beitragen sollen, aber wenn diese nicht für alle auf der Welt gelten, können Gesetze nicht helfen. Im Gegensatz, sie verzerren den Wettbewerb unter Umständen noch mehr.

Wir haben ja schon „Gesetze“ die etwas zur Umwelt beitragen sollen, aber wenn diese nicht für alle auf der Welt gelten, können Gesetze nicht helfen.

Wie reagierst du auf Aussagen wie: Fliegen hat keine Zukunft. Fliegen ist nur schlecht.

Ja, auch ich sehe Fliegen als einen kritischen Punkt in der ganzen Klimadiskussion, auf jeden Fall. Was mich aber manchmal stört, ist, dass Fliegen als Sündenbock hinhalten muss. Es gibt so viele wichtige Themen, angefangen bei uns zu Hause. Wo können wir unser Verhalten beispielsweise beim Einkaufen verändern, wo in unserem Haushalt? Wie nachhaltig gestalten wir unser persönliches Leben, unser Freizeitverhalten – welchen CO2-Fussabdruck hinterlassen wir in unserem Alltag? Ich wünsche mir, dass wir uns wieder im Kleinen darauf besinnen, was wir vor der eigenen Haustür tun können, um diese Welt eine Nachhaltigere zu machen. Es wäre natürlich schön, wenn auch in der Fliegerei etwas gehen würde, aber ich glaube wir können viel mehr im Kleinen für uns tun. Das ist bei mir gerade essenziell, Dinge richtig anzupacken und ich meine dafür hatten wir jetzt doch wirklich Zeit. Meiner Meinung nach können wir nicht die grossen Themen angehen, ohne die kleinen vorher angegangen zu haben.

Und zur Zukunft des Fliegens?

Ich sehe schon, dass wir keine innerdeutschen Flüge oder Ultra-Kurzstreckenflüge brauchen, aber ich glaube schon, dass Fliegen eine Zukunft hat. Ich habe Bekannte in den USA und in Afrika und ich möchte die sehen, um Himmels Willen! Ich möchte da nicht mit dem Schiff hintuckern. Von daher sehe ich eine Zukunft des Fliegens, in welcher Form dann auch immer.

Was könnte verloren gehen, wenn wir nicht mehr reisen?

Ich glaube, wenn du viel reist, kannst du ein viel grösseres Verständnis für andere Menschen und Kulturen bekommen. Ich sage nicht, dass du das automatisch hast und ich glaube es kommt auch wirklich auf die Art von Reisen an – ein AllIinclusive Urlaub in einer Hotelanlage erlaubt noch nicht zwingend ein Kennenlernen anderer Kulturen. Im Austausch über aktuelle Themen mit Bekannten, die sehr wenig reisen, merke ich immer wieder, dass der „Blick über den Tellerrand“ leider sehr oft fehlt. Ich merke da so eine Enge des Blickes und auch der Toleranz. Ich bin sehr viel in Afrika herumgereist und das hat mich nachhaltig geprägt und irgendwie auch das Verständnis für mich, den Sinn des Lebens und so weiter, verändert. Ich bin daran wirklich gewachsen. Könnten wir nicht mehr so weite Reisen machen, und das geht halt einfach nicht mit dem Auto oder dem Zug, dann würden wir auch das Miteinander verlieren.

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