Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Künstliche Intelligenz und Kreativität

Was definiert uns als Menschen? Können uns Maschinen wirklich in allen Bereichen überholen?

Durch Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) sind Rechenmaschinen in vielen Dingen effizienter und somit besser als der Mensch geworden. Natürliche Veranlagungen wie die Kreativität oder die Gefühlsebene schaffen die letzten Unterschiede zwischen Mensch und Maschine. Gelänge es Forschern, kreative Maschinen zu entwickeln, könnten diese die Künstler der Zukunft werden.

In der Entwicklung der KI ist man sich sicher, dass Maschinen im Stande sind, das menschliche Gehirn komplett zu imitieren. Angesichts dessen, dass sich die Kreativitätsentwicklung des Menschen nur im Gehirn abspielt, müsste man davon ausgehen, dass eine intelligente Maschine nicht nur dazu fähig sein kann, kognitive Zusammenhänge zu bearbeiten, sondern im Grunde auch im Stande wäre, Kreatives zu schaffen. So stellt sich die Frage: Werden Maschinen die Künstler der Zukunft?

Heutzutage muss man längst nicht mehr kreativ sein, um Musik zu „komponieren“ oder Bilder zu „malen“, denn bereits auf einem Smartphone kann man Apps downloaden, die gefüttert sind mit Bauteilen, um einen originell klingenden Song oder ein kreativ wirkendes Bild zusammenzustellen. Diese Systeme scheinen aussergewöhnliche Fähigkeiten zu haben, da der Nutzer nur sehr wenige Informationen wie Genres oder Farbtöne angeben muss, damit der Algorithmus einen Song oder ein Bild bastelt. Was dabei herauskommt, sind nie zuvor dagewesene Kombinationen aus Bauteilen und ein paar eingebildete Menschen, die in sich den modernen Van Gogh oder den auferstandenen Michael Jackson zu finden glauben. Bis jetzt funktionieren diese Systeme aber nur unter Einfluss des Nutzers, der ihnen eine Anzahl von Befehlen und Wünschen vorgibt, um sein Werk nach seinem Geschmack zu gestalten. Aber wäre es möglich, dass eine Maschine ohne Einfluss eines befehlerteilenden Nutzers, der versucht, seine kreative Vorstellung umzusetzen, bewusst ein kreatives Werk schafft?

Kreativität ist die Fähigkeit, Neues und Originelles
zu schaffen.

Sie wird oft nur mit der bildenden oder darstellenden Kunst assoziiert, was jedoch falsch ist, da wir sie in allen Bereichen des alltäglichen Lebens antreffen. Kreativität kann oft nur subjektiv wahrgenommen werden und ist somit nicht messbar. Trotzdem ist bekannt, dass sie sich aus einem Zusammenspiel von Begabung, Wissen, Können, intrinsischer Motivation, Persönlichkeitseigenschaften und unterstützenden Umgebungsbedingungen zusammensetzt und durch Steigerung dieser Veranlagungen begünstigt wird. Ausserdem korreliert sie nicht mit dem IQ eines Menschen, wodurch beispielsweise eine Person mit Lernbehinderung künstlerisch ausserordentlich kreativ sein kann, während jemand hochintelligentes in ihrer Kreativität auf dem Niveau eines Kleinkindes steht. Aber wie
soll eine Maschine ohne jegliches Bewusstsein oder eigene Ansprüche etwas Kreatives schaffen?

Frieder Nake, ein Mathematiker und Informatiker, der als Pionier der Computerkunst gilt, klärt viele offene Fragen. Anfangs der 1960er Jahre war er als Student als Mitarbeiter an der Technischen Hochschule Stuttgart tätig und wurde damit beauftragt, die Z64, Nachfolgerin der Z4, die als erste kommerziell gehandelte Rechenmaschine gilt, zu programmieren. Doch Anstelle von systematischem Diktieren der Programmiersprache, versuchte er, den Rechner zum Zeichnen zu bringen. So entstanden seine Frühwerke wie die „Geradenscharen“ – viele verschieden angelegte, sich kreuzende Geraden – oder der „zufällige Polygonzug“ – sich kreuzende, zu geometrischen Formen angeordnete Geraden – welche zu den ersten Werken der Computerkunst zählen und Frieder Nake bis heute beschäftigen.

Er zählt die Computerkunst zur Sparte der „präzisen Vergnügen“, in dessen Zentrum die Berechenbarkeit steht. Aber steckt in Berechenbarkeit denn Kreativität?  In „Hommage an Malewitsch“, einem seiner jüngsten Werke, sind auf einem grossen Bildschirm viele kleine Farbpunkte zu sehen, die sich nach etwa einer halben Stunde zu Rechtecken entwickeln, wobei die Platzierung der ursprünglichen Punkte dem Zufallsprinzip entspricht. Schaltet man den Computer aus und wieder ein, entsteht ein völlig neues, nie dagewesenes Werk und dennoch ist es das Ergebnis eines Rechenprozesses. Ist nun aber die Maschine der Künstler und der Mensch bloss noch der Programmierer? Aus Nakes Sicht impliziert diese Frage das grundlegende Missverständnis unserer Zeit.

Denn wir können von der Maschine nur erwarten, was die Menschen vorher berechenbar gemacht haben.

Seiner Meinung nach ist künstliche Intelligenz ein völlig falscher Begriff, denn in diesem Fall und vielen anderen Fällen, die mit künstlicher Intelligenz betitelt werden, sind es klare Vorgaben, die der Mensch der Maschine gibt. Seiner Meinung nach liegt die Kunst darin, einer Maschine in Form eines Algorithmus‘ zu beschreiben, was sie tun soll. Darum spricht er heute nicht von der „digitalen Revolution“, sondern von der „algorithmischen Revolution“. Ganz abgesehen davon, ob die KI sich ins Unermessliche weiterentwickelt, gehört es für ihn zum Zeitgeist, Ideen aus unserem Kopf maschinengerecht zu formulieren. Um uns die Sprache der Computer anzueignen, plädiert er, obwohl Verfechter der musischen Fächer, für eine Aufnahme des Programmierens in den Lehrplan der Primarschule, wo das Schreibenlernen ja dazu gehört.

Frieder Nake ist es nicht wichtig, den Maschinen das Denken beizubringen, sondern so zu denken, wie eine Maschine dächte, wenn sie es könnte.

Ganz anders sieht es das Team rund um Ahmed Elgammal, der das Labor für künstliche Intelligenz an der Rutgers Universität in New Jersey leitet. Er und sein Forscherteam entwickelten auf der Suche nach der kreativen Maschine das „Creative Adversarial Network“.

Dieses basiert auf dem Prinzip des „Generative Adversarial Network“, kurz GAN, welches zwei künstliche neuronale Netzwerke in Konkurrenz zueinander setzt und somit lernfähig ist.

Das Ganze funktioniert so: Netzwerk „A“ generiert Kandidaten, in diesem Fall also Bilder, die als mögliches Produkt fungieren, wobei Netzwerk „B“ die Aufgabe hat, diese nach bestimmten Mustervorgaben zu bewerten. Im Fall der kreativen Maschine wurde Netzwerk „B“ mit Kriterien programmiert, die aus Sicht der Forscher ein „kreatives“ Produkt ausmachen (z.B. Originalität, Neuheit oder Überraschendes). Während Netzwerk „B“ lernt, als nicht zutreffend geltende Kandidaten zu vermeiden, versucht Netzwerk „A“ dieses mit „schlechten“ Bildern zu füttern, wodurch sich die Bewertungsmethode von Netzwerk „B“ kontinuierlich verbessert. So übt die Maschine, Bilder zu erschaffen, die zwar einerseits die Mustervorgaben der Bilder aus der Bilderkennungsdatenbank berücksichtigt, sich gleichzeitig aber genügend von diesen abhebt. Ahmed Elgammal und sein Forschungsteam bezeichnen die vom „Creative Adversarial Network“ gemalten Bilder als kreativ, da die Maschine durch den Bewertungsprozess ein künstliches Bewusstsein für ihr Endprodukt entwickelt.

Der Widerspruch in Frieder Nakes und Ahmed Elgammals Meinung über das Erschaffen einer kreativen Maschine ist unverkennbar. Ohne sich auf eine bestimmte Seite zu stellen, fällt auf, dass Elgammal zwar eine Maschine entwickelte, deren Produkte die Kriterien einer kreativen Arbeit erfüllen, dies jedoch mit einem von Mensch berechneten und programmierten künstlichen Netzwerk, was die menschliche Kreativität somit nur zu imitieren versucht. Mit „Creative Adversarial Network“ wird das menschliche Bewusstsein mit Hilfe einer riesigen Bilderkennungsdatenbank und der daran orientierten Bewertungsmethode nachgeahmt. Ob man eine solche Nachahmung als echte Kreativität empfindet oder wie Frieder Nake auf dem Boden der Realität bleibt und die KI als eine berechenbare Imitation ansieht, ist jedem selbst überlassen.

Sicher ist, dass sich die Definition von „Kreativität“ wandelt und dass diese durch die Entwicklung der KI mit ziemlicher Sicherheit neu definiert wird.

Ahmed Elgammal macht klar, dass eine Maschine ein Bewusstsein für ihren Erschaffungsprozess benötigt, weil man sonst nicht von Kreativität sprechen kann, sondern viel mehr von einem zufällig erschaffenen Werk.

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