Unser Planet, die Erde. Quelle: Pixabay, Pexels

Mensch und Natur – eine turbulente Beziehung

Das Verhältnis von uns Menschen zur Natur gleicht einer turbulenten Beziehung, die dringend eine Paartherapie nötig hätte. Wie sich diese Beziehung im Lauf der Jahrtausende verändert hat, illustrieren die folgenden Beispiele.

Eine Jägerin vor 12‘000 Jahren in Indien kehrt abends zu ihrer Siedlung zurück. Über dem Feuer brutzelt schon die Gazelle, die sie heute mit ihrem Trupp erlegt hat. Sie denkt an die Seele der Gazelle und dankt ihr dafür, dass sie ihr Leben für ihr Überleben gelassen hat. Die Stimmung ist gedrückt, der Tod des Jungen, der vorgestern von einem Tiger gefressen wurde, wirkt nach. Gedankenverloren betrachtet sie die Brandlöcher in ihrem Gewand. Ob sich wohl im Waldstück, dass sie heute gerodet hat, grosse Beute finden lässt? Vermutlich schon, denn sie hat eine halbe Stunde gebraucht, um es zu durchqueren. Mit dem Feuer geht das Roden auch so schnell!

Einige Jahrtausende später – 2011 – fährt ein japanischer Wissenschaftler aus Fukushima in seinem Diesel-Auto nach Hause. In Gedanken ist er immer noch bei seinen Mäusen in den Käfigen, denen er zweite Schwänze verpassen will. Sein Spezialgebiet ist Gentechnik. Zuhause angekommen sieht er die Post durch, den Spendenaufruf für die bedrohten Tiger wirft er weg. Sein Abendessen besteht aus Reis aus der Monokultur, Hühnchen aus der Massentierhaltung und Avocados aus Südafrika. Danach setzt er sich vor den Fernseher auf seinen Tropenholzsessel und sieht sich eine Dokumentation über den steigenden Meeresspiegel an. Dann – urplötzlich – erzittertet der Tropenholzsessel mitsamt unserem Wissenschaftler, Risse brechen in den Wänden auf und die Decke stürzt ein. In wenigen Sekunden ist die gesamte Welt, wie er sie kannte, zusammengebrochen.

"Dieser blaue Punkt im All ist »hier«, er ist »zu Hause«, er ist »wir«. Jeder Mensch, den du liebst, den Du kennst, von dem Du jemals gehört hast – jeder Mensch, den es je gegeben hat, lebte hier, auf diesem »Punkt«."
– Carl Sagen, Astrophysiker

Die Beziehung der Menschen zur Natur hat sich eigentlich nicht stark geändert. Seit jeher greifen wir die Natur ein und sind ihren Launen nach wie vor ausgeliefert. Der grosse Unterschied liegt im Tempo und der Dimension, mit der wir heute in die Natur eingreifen. Während unsere Jägerin zwar einen ganzen Wald an einem Tag abfackelte, werden heute 526 Fussballfelder Regenwald pro Stunde abgeholzt. Die Umweltveränderungen der Menschen haben auch einen Einfluss auf Naturkatastrophen: Das Atomkraftwerk von Fukushima hat die Folgen des Erdbebens eindeutig verschlimmert und die Intensität und Häufigkeit anderer Naturkatastrophen, wie beispielsweise Hurricane ‚Florence‘ deutlich aufzeigt, der aktuell an der amerikanischen Ostküste wütet, sind eindeutig auf den Klimawandel zurückzuführen – der von den Menschen ausgelöst wurde.

Jede Beziehung hält gewisse Belastung aus. Doch so, wie wir die Natur ausbeuten, sie manipulieren und ihre Probleme ignorieren – nur nehmen und nichts geben – hätte ein Paartherapeut längst eine ‚toxic relationship‘ diagnostiziert. Und etwas dürfen wir nicht vergessen: Es handelt sich um keine gleichberechtigte Beziehung. Die Natur kann getrost ohne uns existieren. Wir ohne sie hingegen nicht.

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