Mentale Stärke im Beachvolleyball

Interview mit Menia Bentele

Mit gerade mal 19 Jahren gehört Menia Bentele schon zur nationalen Spitze im Schweizer
Beachvolleyball. Sie trainiert täglich ein- bis zweimal im Kraftraum oder im Sand. Daneben besucht
sie das Sportgymnasium Bäumlihof, wo sie im Sommer 2021 mit der Matura abschliesst. Ansonsten
verbringt sie einen grossen Teil im Öffentlichen Verkehr, da sie Trainings in Aarau, Bern und Basel
besucht. Im Sommer 2020 konnte sie, trotz Corona, ihre grössten Erfolge feiern. An zahlreichen
nationalen Turnieren ging sie mit ihrer Partnerin als Siegerin vom Platz. An der Juniorinnen u21
Schweizermeisterschaft gewann sie die Goldmedaille und im September wurde sie
Vizeeuropameisterin in der Kategorie u20. Was für sie mentale Stärke ist, wie sie mit
Drucksituationen umgeht und woher sie die Motivation in schwierigen Zeiten nimmt – all diesen
Fragen hat sie sich im Interview gestellt.

Wie bist du zum Volleyballsport gekommen?

Momentan spiele ich nur noch Beachvolleyball und kein Hallenvolleyball mehr. Ursprünglich bin ich aufgrund meiner Grösse zum Volleyball gekommen. Meine Mutter hat gemeint: «Du bist doch gross und solltest dich nicht immer klein machen und einen Buckel machen, deshalb beginne doch mit Volleyball.» Kurz darauf hat sie mich beim Volleyballverein KTV Riehen angemeldet. Dann bin ich dort einmal wöchentlich hingegangen und es hat mir gefallen.

Wann hast du zum ersten Mal beim Volleyballspielen mentalen Druck gespürt?

Ehrlich gesagt habe ich diesen Druck schon sehr früh gespürt, da ich nicht ein Service (Anspiel) Talent war. Ich kann mich aber nicht genau an das erste Mal erinnern, als ich mentalen Druck verspürt habe. Es hat aber schon sehr früh angefangen, denn der Service von unten hat mir früher viel Mühe bereitet.

 

Wie bist du damit umgegangen?

Ich habe mich einfach durch diese Situationen durchgekämpft, da ich so einen enormen Druck am Service verspürt habe und die Chance so gross war, dass ich einen Fehler machte. Rückblickend lache ich darüber und denke, dass die Trainer und meine Mitspielerinnen sowieso schon mit einem Fehler gerechnet haben. Irgendwann habe ich mich dann einfach darauf fokussiert, im Training besser zu werden, damit ich dieses Vorurteil vom 100%igen Servicefehler loswerde. 

 

Wie gehst du heute mit einer Drucksituation um?

Ich versuche mich auf das Ziel meiner Aktion zu fokussieren und denke so bewusst nicht an die möglichen Konsequenzen dieser Aktion.

 

Was ist deiner Meinung nach mentale Stärke?

Ich denke, mentale Stärke besteht aus sehr vielen verschiedenen Aspekten. Zum einen der gute Umgang mit Drucksituationen. Das heisst, dass das Risiko eines Fehlers nicht so weit vermindert wird, dass gar kein Druck mehr auf den Gegner ausgeübt wird. Man muss also die goldene Mitte zwischen Risikobereitschaft und Sicherheit finden. Mentale Stärke ist für mich aber auch, im richtigen Moment Leistung zu bringen und das zu zeigen, wozu man im Training fähig ist.

 

In welchen Situationen warst du mental stark?

Eine spezifische Situation fällt mir gerade nicht ein, aber ich kann mich daran erinnern, diese Saison in knappen Momenten mental stark gehandelt zu haben. Ein Beispiel dafür ist der Spielstand 13:11 im dritten und entscheidenden Satz, der nur auf 15 Punkte gespielt wird. Man führt mit 13: 11. Der Gegner hat zuvor wieder ein paar Punkte aufgeholt und nun stehe ich am Service. Dann habe ich einen inneren Konflikt im Kopf: Einerseits sicher keinen Fehler machen, da es sonst bei 13:12 einen Seitenwechsel gibt und das Spiel wieder komplett offen im Ausgang ist. Im Beachvolleyball werden alle sieben Punkte die Seiten gewechselt. Dennoch möchte ich auch keinen zu einfachen Service machen, da die Sideoutquote, je höher das Niveau ist, immer besser wird. (Im Beachvolleyball ist das Team im Ballwechsel bevorteilt, welches den Service annehmen muss. Es kommt so vor dem anderen Team zum Angriff). Ich möchte es also, ohne einen Fehler zu machen, dem Gegner möglichst schwer machen, einen direkten Punkt zu erzielen. Ich muss in einer solchen Situation die Balance zwischen zu viel oder zu wenig Risiko finden. Denn gewinne ich diesen Punkt, steht es 14:11 und ich habe Matchball. 

 

Hast du das Gefühl, du hättest früher mehr Spiele gewonnen, wenn du damals schon mental stärker gewesen wärst?

Ja, denn ich glaube, mentale Stärke spielt im Beachvolleyball eine enorm grosse Rolle. Schon in der Kategorie u15 macht es einen grossen Unterschied, ob du selbstbewusst gegenüber dem Gegner auftrittst oder nicht. Wenn du als Team selbstbewusst auftreten kannst, weisst du, wozu du fähig bist. Wenn du dies dann auch noch abliefern kannst, dann macht das in jungen Jahren schon einen sehr grossen Unterschied. Als ich angefangen habe mit Beachvolleyball, habe ich mit meiner ersten Partnerin, im Vergleich zu anderen, schon sehr viel trainiert. Wir konnten vom Niveau her mit den anderen Mädchen gut mithalten, hatten aber noch zu wenig Erfahrung. An den Turnieren verloren wir dann gegen Teams, die vom Niveau her nicht besser, aber mental stärker und überzeugter von sich selbst waren.

 

Wie beruhigst du dich in einem Spiel, wenn du sehr nervös bist?

Dann denke ich an den Spruch meiner Trainerin Dori: «Eigentlich sind wir so privilegiert und es ist so lächerlich, nervös zu sein und uns Stress zu machen wegen unserem Hobby Beachvolleyball. Es gibt so viel schlimmere Dinge, als das Spiel zu verlieren oder den Punkt nicht zu machen. Man könnte ja auch krank sein und könnte nicht in der Sonne auf einem Beachvolleyballfeld stehen.» Solche Sprüche helfen mir immer, wenn ich nervös bin.

 

Arbeitest du im Training an deiner mentalen Stärke? Hast du auch Mental-Training?

Ich gehe nicht zu einem Mentaltrainer, aber unsere Trainerin und ihr Mann integrieren diesen Aspekt sehr stark in unserem Ball- und Krafttraining. Sie sind beide der Überzeugung, dass dies ein sehr grosser Teil des Beachvolleyballs ist. Das bedeutet, dass wir viele knappe Spielsituationen im Training simulieren und man schon im Training wichtige Punkte gewinnen muss. Ein Beispiel dafür wäre der Spielstand 18:17 für den Gegner oder, dass das Verliererteam nach dem Training das ganze Feld «rächeln» muss. Kurz gesagt: Wir versuchen, jede mögliche Wettkampfsituation schon im Training zu simulieren. Das Krafttraining macht der Mann unserer Trainerin. Er sagt dann jeweils, dass ich noch fünf Wiederholungen machen soll. Und wenn er dann sieht, dass noch mehr möglich ist, sagt er, dass ich noch zwei weitere machen soll. Im Nachhinein ist man dann stolz, weil man noch zwei weitere Wiederholungen geschafft hat, obwohl man eigentlich keine Kraft mehr dazu hatte. Er treibt mich also zu immer höheren Leistungen, bringt mich zum Kämpfen und dazu, mental stark sein.

 

An der u20 Europameisterschaft habt ihr das Viertelfinalspiel extrem knapp gewonnen (21:19, 26:24). Was ging dir in diesem knappen Spiel durch den Kopf?

Im Viertelfinale ist man dem Halbfinale so nahe, was bedeutet, dass man auch noch am Sonntag spielen darf und das ist so toll und bedeutend. Als wir das Halbfinale erreicht hatten, spürte ich eine grosse Erleichterung. Für mich war es der grösste Erfolg, das Halbfinale zu erreichen. Im Viertelfinalspiel ist mir einfach nur durch den Kopf gegangen, dass wir den zweiten Satz gewinnen müssen. Ansonsten denke ich, wären die Spanierinnen nochmals stärker aufgekommen und wären noch schwieriger zu schlagen gewesen. Dadurch, dass wir den ersten Satz gewannen, konnten wir in den entscheidenden und knappen Momenten des zweiten Satzes lockerer aufspielen. Trotzdem habe ich den Druck gespürt, den zweiten Satz gewinnen zu müssen. Am Schluss des zweiten Satzes, als es extrem knapp wurde, haben beide Teams einfach nur auf den Fehler oder den Gratis-Ball des anderen Teams gewartet. Es waren beide Teams unter enormem Druck. Den Matchball mussten wir viermal bestätigen. Wir mussten also viermal angreifen und verteidigen, bis wir unseren Punkt hatten. Das zeigt, wie umkämpft die ganze Partie war.

 

Hattest du während dem Matchball so viele Gedanken im Kopf?

Nein, in diesem Moment war ich nicht mehr nervös. Während des Ballwechsels sowieso nicht. Auch wenn es für eine lange Zeit so knapp war. Bei 20:20 habe ich aufgehört zu denken, habe mich nur noch auf die einzelnen Spielzüge konzentriert und war nicht mehr nervös. Ab 22:22 habe ich nur noch gedacht, dass wir diese zwei nächsten Punkte einfach gewinnen müssen. Man ist in einem solchen Moment viel mehr auf die einzelnen Handlungen fokussiert.

 

Das Finale an der u20 EM habt ihr deutlich mit 2:0 verloren. Was geht einem durch den Kopf, wenn es nicht so läuft, wie man es gerne hätte?

Im Finale ist nicht alles schiefgelaufen, aber irgendwann hat man einfach realisiert, dass die Lettinnen in diesem Spiel einfach besser waren. Nach dem Finale waren wir einerseits extrem enttäuscht, dass es nicht einmal knapp war und dass wir dieses Turnier mit einer Niederlage beenden mussten. Natürlich gewannen wir die Silbermedaille, aber das Gefühl als Verliererin aus dem Turnier zu gehen, war sehr lange präsent. Ich habe erst zu Hause realisiert, als ich die Medaille nochmals angeschaut habe, was wir eigentlich geleistet und erreicht haben. Während des Spiels ist es aber einfach frustrierend, wenn man merkt, dass es nicht läuft. Man versucht dann alles, um das Spiel noch zu drehen, aber spätestens, wenn Matchball für den Gegner ist, muss man die Niederlage akzeptieren.

 

Lange wusste man nicht, ob in diesem Jahr überhaupt Juniorinnen Europameisterschaften stattfinden können. Wie konntest du die Motivation in dieser Ungewissheit aufrechterhalten?

Einerseits habe ich immer daran geglaubt, dass die EM noch stattfinden wird. Aber auch die langfristigen Ziele haben mich immer wieder motiviert. Für mich war klar, dass ich diesen Sommer oder dieses Jahr nutzen muss, um zu trainieren. So hart dies ist. Aber es ist auch ein Vorteil gegenüber den Nationen, die in ihren Trainingsmöglichkeiten noch eingeschränkter waren.

 

Ist es im Leistungssport wichtig, seine Gefühle zu verstecken?

Ja und nein. Nicht jedes Gefühl muss versteckt werden, aber Nervosität muss man vor dem Gegner verstecken können. Ansonsten gibt das dem Gegner automatisch mehr Selbstbewusstsein und nimmt ihm den mentalen Druck. Ich denke in einem Sport, in dem man dem Gegner die ganze Zeit gegenübersteht, ist es sehr wichtig, seine negativen Gefühle nicht zu zeigen.

 

Muss man im Beachvolleyball mental stärker sein, als in anderen Teamsportarten, in denen es Auswechselspieler gibt?

Für das Team musst du mental stärker sein, da keiner für dich aufs Feld gehen kann. Als Einzelspieler aber nicht, denn auch in anderen Teamsportarten möchte man ja nicht ausgewechselt werden.

 

Vielen Dank fürs Interview und weiterhin viel Erfolg!

 

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