Schulischer und sozialer Druck

Inwiefern werden wir von unserer Gesellschaft und von der Schule dazu erzogen, uns selbst unter Druck zu setzen?

Wir kennen es alle: Kaum ist die Schule vorbei, selten vielleicht schon um 14.00, meistens aber natürlich erst später, geht es gleich weiter mit dem Programm. Von der Schule nach Hause, schnell etwas essen, dann aber gleich weiter zum Sport oder zur
Musik. Ausgeglichen, entspannt und glücklich kommt man vom erfolgreichen Training oder der Musikstunde zurück und will sich schon ins Bett werfen um einmal volle acht Stunden schlafen zu können; aber da klopfen auch schon die halbfertigen Mathehausaufgaben an die Tür, der Deutschaufsatz schreit nach einer Überarbeitung und der anstehende Biotest verlangt nach einer Repetition des gesamten behandelten Stoffes. Widerwillig macht man sich an die Arbeit, der Kopf brummt und die Augen
werden schwer.
Ein Blick auf die Uhr – schon wieder halb zwei.

Nicht selten legen Schüler und Schülerinnen solche «Nachtschichten» ein, um den Anforderungen und Aufgaben der Schule gerecht zu werden. Gesund ist dies nicht. Schlafmangel führt auf Dauer zu Konzentrationsstörungen, Unausgeglichenheit und belastet die Psyche junger Menschen enorm. Wie genau aber entsteht dieser Leistungsdruck und dieser soziale Druck und was kann man dagegen tun?

Studie zum Leistungsdruck und Stressbelastung

Im Rahmen einer Juvenir-Studie wurden 1’538 Schweizer Jugendliche im Alter von 15-21 zum Leistungsdruck und ihrer Stressbelastung befragt. Rund 56 Prozent der befragten Mädchen gaben an, häufig gestresst zu sein, bei den männlichen Befragten waren es lediglich 37 Prozent. Der erlebte Stress wird dabei vor allem durch die Schule verursacht. Nur 13 Prozent der Jugendlichen gaben an, durch Hobbys oder andere ausserschulischen Aktivitäten gestresst zu werden. Dadurch lässt sich schliessen, dass eine hoher Anteil des Stresses durch den enormen Leistungsdruck entsteht. Dieser wird natürlich einerseits gesellschaftlich verursacht, junge Menschen setzen sich jedoch immer mehr selbst unter Druck.

Der Anspruch an sich selbst, erfolgreich, wohlhabend und anerkannt zu werden, löst bei vielen Jugendlichen Stress aus.

Für über 90 Prozent der Befragten ist es wichtig, in Schule, Studium und Beruf erfolgreich zu sein. Da in unserer Gesellschaft so viel vom jungen Menschen abverlangt und erwartet wird, ist es naheliegend, dass die Selbstansprüche der Jugend steigen und ein gewisser Selbstdruck zur Normalität gehört. Dies ist jedoch auf keine Weise gesund! Jugendliche, die ständig unter starkem Einfluss von Stress stehen, geben an, häufig niedergeschlagen, lustlos oder gar traurig zu sein.

Die Notwendigkeit eines solchen Leistungsdrucks und Stresses ist natürlich fragwürdig. Die Schule ist laut Definition «Eine Institution, die Kindern und Jugendlichen Bildung vermittelt» und sollte demnach
ein Ort der Begeisterung und des Interesses darstellen und die Jugendlichen nicht mit zu viel Stress und Druck ablöschen.

Folgen von Leistungsdruck

Rund 10 Prozent aller Schweizer Jugendlichen sind von leichten bis moderaten depressiven Verstimmungen betroffen. Bei 2-6 Prozent entwickeln sich diese Verstimmungen noch vor dem 25. Lebensjahr zu einer Depression. Die Ursachen einer Depression sind dabei natürlich immer vielfältig und individuell. Die Experten sind sich jedoch einig, dass Leistungsdruck zu den wesentlichen Faktoren der Ursachen gehört. Auch hier spielen die Selbstansprüche der Jugendlichen wieder
eine große Rolle. Gerade während der Pubertät haben junge Erwachsene enorme Ansprüche an sich selbst, vergleichen sich andauernd mit Gleichaltrigen und wollen gleich erfolgreich sein, wie der beste Freund oder die beste Freundin. Diese sowieso schon vorhandenen Selbstansprüche, kombiniert mit dem früh beginnenden
Leistungsdruck der von der Schule ausgeht, löst bei vielen Jugendlichen Anzeichen des Burnout-Syndroms oder Anzeichen einer Depression aus, welche sich oft durch Erschöpfung und Niedergeschlagenheit auszeichnen.

Sozialer Druck und soziale Medien

Beinahe jeder Jugendliche benutzt die sozialen Medien auf irgendeine Weise. Sie gehören zu unserer modernen Welt dazu. Ich selbst bin eine begeisterte Instagram-Nutzerin und finde, dass die Plattform viel Inspiration und Ausdrucksmöglichkeit bietet. Man kann sich so darstellen, wie man gesehen werden möchte, Eindrücke mit Leuten teilen und sich von anderen inspirieren lassen.

Nach einiger Beschäftigung mit dem Thema Leistungsdruck ist mir dann aber auch klar geworden, dass auf uns Jugendlichen auch ein gewisser sozialer Druck lastet, welcher durch die sozialen Medien durchaus verstärkt wird.

Anders als vor 20 Jahren legen wir unser Leben der Öffentlichkeit offen dar. Wir teilen unsere Tagesabläufe und Ansichten mit Menschen zu welchen wir, abgesehen der digitalen Welt, überhaupt keinen
Bezug haben. Dies bietet uns, wie oben erwähnt, natürlich Platz für Selbstverwirklichung und Individualität, macht uns natürlich aber auch extrem verwundbar. Wer sich im Internet zeigt, wird auch immer kritisiert: «Hesch gseh was die jetzt widr postet het, isch jetzt scho rächt schlampig» oder ähnliche Sätze sind leider Realität. Auf uns lastet ein Druck, anderen zu gefallen und Ansehen zu erlangen. Dieser Druck geht selbstverständlich nicht nur von den sozialen Medien aus. Auch in der realen Welt wollen wir mit unseren Handlungen Menschen von uns überzeugen. Es gibt viele Regeln, die befolgt werden müssen, um Ansehen zu erlangen, viele ungeschriebene Gesetze, mit welchen wir jeden Tag konfrontiert werden. Schnell einmal wird man von anderen abgestempelt, wenn man diese ungeschriebenen Gesetze nicht befolgt oder gar ignoriert.

Der Umgang mit Leistungsdruck ist schwierig und beschäftigt auch Menschen, die schon lange in der Arbeitswelt sind. Es gibt keinen universellen Weg damit umzugehen, denn jeder Mensch reagiert anders auf Stress und Druck. Es gibt jedoch einige wenige Maxime, die man beachten kann, wenn ein gesunder Umgang mit Stress erzielt werden will:

Auszeiten nehmen und Distanz schaffen: Ruhe ist ein seltenes Gut in unserer Gesellschaft. Selten haben wir die Möglichkeit, uns von allen Problemen und Stresssituationen abzugrenzen. In Situationen der Überlastung ist jedoch genau dies sehr wichtig. Sich getrauen eine Auszeit zu nehmen und zum Beispiel einen Spaziergang zu machen, ohne Handy, Hund oder Musik.

Selbstansprüche zurückschrauben: Es reicht manchmal auch vollkommen, einfach «genügend» zu sein. Sich selbst wegen einer ungenügenden Note herunterzumachen ist kontraproduktiv und
führt noch zu viel mehr Stress. Es ist wichtig, reflektiert zu sein, ohne dabei zu hohe Ansprüche an sich selbst zu stellen.

Kein dauerhafter Vergleich mit anderen: Sich immer mit anderen zu vergleichen, kann zu viel Stress und Unzufriedenheit führen. Natürlich ist ein gewisser Vergleich normal und auch wichtig, es sollte jedem jedoch bewusst sein, dass jeder Mensch seine Stärken und Schwächen hat und dass es nicht nötig ist, überall immer der oder die Beste zu sein.

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