Illustration: Angelica Bebing

Systemkoformität als Zukunftsideal?

Kennt ihr das noch von früher, als die Erwachsenen euch immer nach euren Berufswünschen gefragt haben? Was willst du einmal werden, wenn du gross bist?

Feuerwehrmann vielleicht? Pilot? Oder doch Fussballprofi? Das sind jedenfalls die drei Top Berufswünsche von Jungen im Vorschulalter. Bei den Mädchen stehen Tierpflegerin, Frisörin und Ballerina ganz hoch im Kurs. Doch nur wenige dieser Kindheitsträume werden tatsächlich verwirklicht.

Doch weshalb ist das so? Eine Möglichkeit ist, dass wir unsere Träume aufgeben, wenn wir grösser werden, da diese vielleicht nicht systemkonform sind oder die Erwachsenen sie uns ausreden. Schliesslich träumen nicht alle Eltern davon, dass ihre Kinder tatsächlich einmal Fussballprofi oder Ballerina werden. Andererseits passen die Kindheitsträume oft nicht mehr zu den jungen Erwachsenen, da diese sich verändert haben. Realisierbare und gesellschaftskonforme Berufsvorstellungen etablieren sich zusammen mit der Erkenntnis von eigenen Fähigkeiten und dem Erlangen von Qualifikationen. Doch bevor wir diese Erkenntnis erlangen und unsere Zukunftspläne schmieden, findet oft eine Phase der Desorientierung statt.

Befragt man nun Jugendliche, wissen diese oft nicht, was für einen Beruf sie ergreifen wollen. Es gibt ja auch so viele Möglichkeiten für uns, unsere Zukunft zu gestalten, so viele Entscheidungen, die man treffen sollte. Zwischenjahr – ja oder nein? Universität oder Fachhochschule? Oder doch ganz praktisch eine Ausbildung machen? Oft kann eine Palette mit vielen Auswahlmöglichkeiten nicht nur als aufregendes Privileg angesehen werden, sondern macht es erst recht schwierig sich zu entscheiden. Schliesslich wollen wir ja die richtige Entscheidung treffen und diese nachher nicht bereuen.

Manchmal gelangen wir aber auch über Umwege an unser Ziel, und wenn wir wollen, können wir ja aus potentiell jeder Situation etwas lernen. Unter diesem Aspekt gibt es eigentlich keine falschen Entscheidungen.

Dennoch können wir das Gefühl haben, dass unser Leben nach einem vorgefertigten Plan ab- läuft und dass wir uns trotz der vielen Möglichkeiten immer nur im Rahmen des gängigen Gesellschaftssystems bewegen können. Es wird von uns erwartet, dass wir produktiv sind, uns an die Richtlinien der Gesellschaft halten und niemandem zur Last fallen, indem wir für uns selber sorgen.

Vorgesehen ist der Weg von der abgeschlossen Schule über eine Ausbildung oder ein Studium, dann wahlweise Heirat und/ oder Familiengründung, berufliche Karriere, um schliesslich pensioniert zu werden.

Doch wo bleibt bei all diesen allgemeinen Erwartungen und Vorstellungen noch der individuelle Freiraum und Platz für Visionen?

Warum nicht erst ein- mal um die Welt reisen, andere Kulturen kennenlernen, Praktika absolvieren, Sprachaufenthalte belegen, sich seinen Hobbies widmen und sich für Humanitäre – oder Umweltprojekte einsetzen?

Im Gegensatz zu früher ist die Toleranz für Divergenz in unserer Gesellschaft gewachsen.

Der Lebensplan der jungen Generation hat sich verändert, die Wege sind individueller und vielfältiger geworden.

Wir haben heute so viele Möglichkeiten uns weiterzubilden oder unsere Träume zu leben, weil unsere Eltern uns unterstützen. So entscheiden sich viele junge Leute für ein Zwischenjahr, um Fähigkeiten in verschiedenen Lebensbereichen zu erwerben oder konkreter herauszufinden, was für eine berufliche Laufbahn zu ihnen passen könnte.

Der jungen Generation ist es nicht nur wichtig, viel Geld zu verdienen, vielmehr stehen die Selbstverwirklichung und ein erfüllender Beruf im Vordergrund. Damit entstehen jetzt auch viele alternative Lebens- und Berufsformen. So sind in den letzten Jahren tiny houses und Wohnwagen wie auch die Idee der Selbstversorger oder Aussteiger aus der Gesellschaft wieder populärer geworden.

Zum Beispiel sind im Jahr 2018 vermehrt deutsche Auswanderer nach Ungarn emigriert, die als Selbstversorger in sogenannten Kommunen zusammenleben und eine eigene kleine Gemeinschaft gegründet haben. In Anbetracht der Klimakrise entscheiden sich immer mehr Menschen bewusst dafür, ihren Konsum zu reduzieren und Ressourcen sparend zu leben.

Ob systemkonform oder nicht – es ist wichtig, dass wir im Leben etwas finden, was uns glücklich macht und unser Leben erfüllt. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen haben wir das Privileg, uns entscheiden zu können welchen Weg wir gehen wollen und auch die Zeit, unseren Platz in dieser Welt zu finden.

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