Times Are Changing

Am 18. Januar zog ich mit Bannern fürs Klima durch die Basler Strassen, am 19. Januar sass ich mit meinen Klassenkameraden im EasyJet-Flieger nach Zaragoza. Widerwillig, mit ‚Flugscham’ und ganz viel Diskussionslust im Gepäck – und dem Vorsatz, nie mehr ein Flugzeug von Innen zu sehen.

Ein anderes Reisemittel als das Flugzeug stand für unsere Schwerpunktreise überhaupt nicht zur Diskussion; wir Schüler wurden in einem Nebensatz über die Buchung informiert, so beiläufig, dass ich meine aufkeimenden Schuldgefühle wegen CO2-Emissionen und schmelzenden Polkappen schnell verdrängen konnte. Das war im Oktober, als Greta Thunberg noch unbekannt war und Klimadiskussionen noch nicht die Klassenzimmer erreicht hatten. Zwar wusste ich im Oktober schon genauso viel über die Klimakrise wie jetzt, dank der Schule sowie privaten Interessen, doch die eigene Bequemlichkeit und das Vergnügen waren stets zu stark gewesen, als dass ich tatsächlich etwas gross an meinem Lebensstil geändert hätte. Da war nur dieses leise, unangenehme Stimmchen in meinem Hinterkopf, welches mich mit den Auswirkungen von Flugreisen quälte. Doch ich brachte es zum Schweigen, darin hatte ich schon Übung: Einmal ist ja keinmal. Oder?

Nun, knapp ein Vierteljahr später, scheint diese Haltung völlig absurd. Wieviel sich geändert hat! Innerhalb weniger Stunden hat sich eine Bewegung formiert, die diesem überfälligen Thema, welches so lange in uns brodelte, endlich eine Stimme gab. Über die politische Diskussion hinaus, welche ja das Hauptziel der Bewegung ist, löste sie ganz viel bei den Streikenden persönlich aus: Plötzlich wird über Plastikkonsum und vegetarisches Mensaessen geredet, das Wort ‚Flugscham‘ macht die Runde, Familienferien und Maturreisen werden in die Toskana mit dem Zug statt nach Kreta gebucht.

Von einem ‚Guilty Pleasure‘ wurde das Fliegen zu einer Tätigkeit, die nur noch ignorante, selbstbezogene Umweltsünder machen. Sich nicht ums Klima scheren ist plötzlich uncool.

Dies ist (bis jetzt!) der wahre Triumph der Klimabewegung: Der öffentliche und private Diskurs über die Umwelt, den sie angestossen hat. Plötzlich kann man das Stimmchen im Hinterkopf nicht mehr ignorieren, weil daraus ein Chor geworden ist, der so laut ist, dass er selbst gestandene Politiker zum Zittern bringt.

Die Zeiten ändern sich. Die Klimastreikbewegung hat in kurzer Zeit schon unheimlich viel bewegt: In Basel und Liestal wurden als erste nichtenglischsprachige Städte der Klimanotstand ausgerufen, das EU-Parlament hat am 12. März für den ganzen Tag ca. 60 Vertreter der europäischen Klimastreikbewegung eingeladen und die Bewegung ist noch lange nicht am Ende.
Doch vor allem werden in Zukunft keine Flüge mehr gebucht, ohne dass es zuvor nicht eine Diskussion gibt. Diese Schwerpunktreise ist eines der Überbleibsel einer Zeit der ignoranten Sorglosigkeit und des Verdrängen. Im Schülerparlament am Gymnasium Bäumlihof wird ein Flugverbot bei Schulreisen diskutiert – auch aufgrund dieser Schwerpunktreise im Januar -; von der Lehrerschaft kommen ähnliche Vorschläge. im Gymnasium Leonhard wurde dies (zwar ohne Zusammenhang mit den Streiks) schon durchgesetzt: Künftig reisen Maturanden mit dem Zug.

Zurück zum Dilemma meiner Schwerpunktreise: Die Vorstellung zu fliegen war mir zwar zuwider, ja gänzlich unvorstellbar, jedoch war es zu kurzfristig, um noch Züge umzubuchen. Hätte ich also auf die Reise verzichten sollen? Wären wir konsequent gewesen, hätten wir uns weigern sollen, in diesen Flieger zu sitzen. Das wäre wirklich stark gewesen. Ich tat es nicht. Das Verlangen, dabei sein zu wollen und eine tolle Reise zu erleben, war stärker gewesen. Doch als ich in den engen, orangen Sitzreihen sass und durch die Wolken auf die grösstenteils schneefreien Pyrenäen herabsah, fühlte mich wie eine Verräterin, die ihre eigenen Ideale und ihre Bewegung hintergeht und ich fasste einen Entschluss: Das wird mir nie mehr passieren.

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