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Vergessdeinnicht

Eine Kurzgeschichte

Du warst mal so nah. Näher als jeder zuvor. Kanntest alles von mir. Konntest jedes Lächeln, jede Träne, jede Mimik deuten. Aber eben, konntest. Nun lieg ich hier, alleine. Hier, wo dein Duft noch immer tief in den Laken steckt.

Es ging alles so schnell, obwohl wir Monate, nein sogar Jahre brauchten, alles aufzubauen. Wir setzten Stück für Stück zusammen, wie unser eigenes, kleines Mosaik. Doch du brauchtest nur Sekunden, um es wieder zu zerstören, als hätte es nie existiert. Ich würd dich am liebsten die Treppe runter stossen, für das Gefühl, dass du mir gibst. Doch ich liebe dich. Liebe dich so sehr, dass ich dir zuerst Knieschoner und einen Helm anziehen würde.

Mein Blick, er schweift zu meinem Fenster. Blau. Blau, die Farbe, welche die Blumen im Vorgarten unseres Hauses haben sollten. Vergissmeinnicht. Dein Leben wurde zu meinem. Mit dir freute ich mich jeden Morgen aufzustehen, um abends wieder neben dir einschlafen zu können. Du warst immer da. Hast alles leichter gemacht. Hast jeden Stein in meinem Weg klein gemeisselt. So klein, dass ich wie eine Feder darüber hinweg schweben konnte.

Deine Zahnbürste, sie steht noch im Bad. Unberührt. Der Sitzplatz neben mir im Bus, leer. Traut sich niemand hinzusitzen. Es war dein Platz. Ist dein Platz, noch immer.

Also sag mir wieso? Wieso bist du in dieses Auto gestiegen. Hast gelacht, gesungen, ihn angefeuert. Du wusstest, er war betrunken, wusstest um die Gefahr. War ich dir so egal, dass du nicht mal an mich dachtest? Nicht einmal vernünftig warst, den Menschen, die dich liebten, zu liebe.

Meine Mutter hatte Recht. «Schatz, bist du sicher bei ihm? Du weisst, sogar Zucker sieht aus wie Salz.»

Blut, blaues Licht, vergessichnicht. Verdammt Baby, ich vermisse dich.

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