Wie Fight Club unsere Gesellschaft kritisiert

Das Jahr 1999: Die Jahrtausendwende steht kurz bevor und Bürojobs werden zur Norm. Die Wirtschaft ist auch recht stabil, was dazu führt, dass man sich viel mehr leisten kann. Alles in allem, das Leben ist gut. Doch ein Film trotzt dieser Glücklichkeit und hält uns einen Spiegel entgegen, der uns zeigt, was diese Büro-Konsum-Gesellschaft aus uns macht. Dieser Film ist Fight Club.

Fight Club, von dem die meisten unserer filminteressierten Leser und Leserinnen wohl schon gehört haben, wird ganz verdienter Weise immer wieder als ein Meisterwerk bezeichnet. Unter anderem verdient, weil er sehr viel Potenzial für ziemlich tiefgründige und interessante Interpretationen hat. Ich werde mich mit einer Interpretation oder vielmehr Message, die der Film hat, in diesem Artikel hier befassen. Bevor ich nun aber fortfahre, möchte ich einerseits eine Spoiler-Warnung geben, da ich auch ins Detail gehen werde. Auch möchte ich jedem ans Herz legen, diesen Film selber zu sehen, da es wirklich eine Erfahrung ist, welche am besten unvoreingenommen genossen wird.

Wo wäre es besser zu beginnen, als bei unserem Hauptcharakter selber. Unser Hauptcharakter ist ein so um die 30 Jahre alter Mann in einem klassischen stabilen Bürojob. Er hat eine eigene, schöne Wohnung, und auch ansonsten scheint er ein wirklich gutes Leben zu führen. Doch dies täuscht: Er ist gelangweilt von seiner Alltagsroutine, leidet unter Schlaflosigkeit und ist generell teilnahmslos und uninteressiert an allem. Er lebt gewissermassen ein leeres Leben, in welchem nichts wirklich Bedeutung hat und alles irgendwie verschmilzt. Seine Schlaflosigkeit ist hier beispielsweise eine gute Metapher. Am Anfang des Filmes gibt es dieses Zitat von unserem Hauptcharakter:

When you have insomnia, you’re never really asleep, and you’re never really awake. With insomnia, not- hing’s real. Everything is far away. Everything is a copy of a copy of a copy.

Dies ist nicht nur eine treffende Beschreibung seiner Verfassung, sondern lässt sich sehr gut auf sein Arbeitsleben projizieren. Der öde Alltag, die ständige Wiederholung, lässt über eine längere Zeit alles gleich wirken. Dadurch wird einem das Geschehen egal und man verliert jeglichen Bezug dazu. Es ist wie ein Modus, in den man hineinfällt, und ohne gross darüber nachzudenken, einfach ausführt. Er ist nichts weiter als eine Arbeiterdrohne im Bürobienenstock. Was sicher auch auffällt: Ich habe bisher noch nie den Namen unseres Hauptcharakters genannt. Dies liegt daran, dass er keinen hat. Er ist gewissermassen identitätslos. Zwar gibt er sich selbst Namen und Identitäten, zur wichtigsten kommen wir später noch, aber er selbst bleibt immer nur eine namenslose Person. Auch dies passt gut in die Arbeitsdrohnenmetapher, da ja alle Bienen gleich sind. Sie haben die gleichen Jobs, sehen gleich aus und haben alle den gleichen Sinn in ihrem Leben: Arbeiten. Nun, dies waren jetzt aber erst die Metaphern zum Thema Arbeit, kommen wir doch mal zur Kritik an der Konsumgesellschaft. Wie schon erwähnt, hat er eine schöne Wohnung. Diese stellt er sich natürlich auch mit allerlei Möbel und anderen Gegenständen voll, wie man es halt so macht. Nun, auch hier möchte ich wieder auf ein kleines, aber feines Zitat im Film hinweisen:

Like everyone else, I had become a slave to the IKEA nesting instinct.

Dies bedeutet, dass er jedes einzelne Möbel oder Dekorstück, welches vielleicht interessant aussieht, kauft, um mehr Identität zu haben. Denn wie soll er, eine kleine Arbeiterbiene, sich allein von der Masseabheben? Er kann es nicht. Deshalb sind es die Besitztümer, welche ihn definieren. Er selbst hat keine Persönlichkeit in der Konsum-Gesellschaft.

All diese Dinge sind unserem Hauptcharakter voll bewusst, immerhin stammen beide Zitate von ihm, aber festgefahren in seiner identitätslosen Routine kann er nichts daran ändern. Oder zumindest nicht bewusst. Somit erschafft er sich also ein Alter Ego, um sich aus dieser Lage rauszuziehen. Dieser Alter Ego ist nebenbei auch eine der ikonischsten Figuren in der Filmgeschichte. Kommen wir also zu Tyler Durden.

Tyler lernen wir als erstes auf einer Flugzeugreise unseres Hauptcharakters kennen, welchen ich ab jetzt Ed nennen werde, da er von Edward Norton gespielt wird. Während der Reise bringt Tyler dann sogleich auch ordentlich Kritik an Flugzeugsicherheit an:

An exit-door procedure at 30,000 feet. The illusion of safety.

Dies ist jetzt nicht zwingend Kritik am Konsumsystem, aber vermittelt meiner Meinung einen guten Ein- druck, was Tyler für eine Persönlichkeit hat. Tyler selbst ist das pure Gegenteil von Ed. Er arbeitet Teilzeitjobs, wohnt in einer heruntergekommenen Bruchbude und hat mehr als genug Persönlichkeit. Doch Tyler ist nicht real, sondern eine Art imaginärer Freund, welcher sich Ed vorstellt. Das heisst, er redet mit ihm und manchmal ist er auch Tyler, dies ist ihm aber nicht bewusst, denn für ihn ist Tyler eine reale Person. Und ja, das war gerade der Twist des Filmes. Also zurück zum Thema. Tyler ist, hier auch wieder ein Kontrast zu Ed, frei. Das bedeutet, er hat sich von allen überflüssigen Normen der Gesellschaft verabschiedet und kann jetzt tun, was er will.

Only after we lose everything, we’re free to do anything.

Losing everything heisst in diesem Kontext, dass Tyler sich seinem menschlichen Schicksal bewusst ist und es akzeptiert hat. Nämlich wir sterben alle irgendwann und können nichts dagegen tun. Dieser sehr nihilistische Ansatz gegenüber dem Leben hat aber auch irgendwie seinen Sinn. Denn warum soll man noch an irgendwelchen Normen festhalten, wenn man seinen Tod akzeptiert hat? Ab diesem Moment wirkt alles um einen herum nur noch wie Ablenkung, damit man sich nicht mit seiner Sterblichkeit befassen muss. Deshalb sieht Tyler die Menschen in unserer Konsumgesellschaft als Sklaven und Gefangene, welche versuchen, in jedem noch so kleinen unbedeutenden Ding eine Bedeutung zu finden und somit nie ein wirklich freies Leben leben zu können, ständig gebunden an unsere Konventionen. Ich denke, Fight Club überbringt hier, obwohl auch gerne mal ein wenig überspitzt, eine gute und wichtige Message. Sie zeigt uns, was passieren könnte, wenn wir anfangen, uns zu sehr von unserem Job und unseren Besitztümern definieren zu lassen. Deshalb ist es in der heutigen Gesellschaft wichtig, auch mal ein wenig Abwechslung zu haben und nicht der gleichen Alltagsroutine zu folgen. Versucht mal diese Message auf euer eigenes Leben zu reflektieren und schaut euch an, wo ihr vielleicht Potenzial hättet zu einem Ed zu werden und versucht, das zu ändern.

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