Primarlehrerin und Aktivistin Morena Diaz

Wie werde ich… zufrieden mit mir selbst?

Ein Gespräch mit Morena Diaz

Morena Diaz ist Primarlehrerin, 26 Jahre alt und Aktivistin auf Instagram. Als Jugendliche litt sie an einer Essstörung – heute hat sie sich davon befreit und setzt sich für die bedingungslose Akzeptanz des eigenen Körpers ein – und ist damit ziemlich erfolgreich.

 

«Wenn ich in den Spiegel schaue und merke, dass ich wieder an mir zweifle, werde ich einfach wütend. Und das funktioniert echt gut», erklärt Body-Positivity-Aktivistin Morena Diaz aus dem aargauischen Zofingen. Sie setzt sich dafür ein, dass jeder seinen eigenen Körper wertschätzen kann. Unabhängig von der Kleidergrösse oder äusserlichen „Makeln“. Und das, obwohl dies in Zeiten von Social Media alles andere als einfach ist: «Wenn man die Medien anschaut und ihnen glaubt, sind wir eh nicht gut genug. Dann müssen wir immer noch besser, noch schöner, noch schlanker werden.» Das Resultat davon sei, dass viele Menschen an sich selbst zweifelten – obwohl dies gar nicht nötig wäre. Morena Diaz hat für sich selbst eine Lösung gefunden, damit umzugehen: Einfach wütend werden. Wütend auf die Modeindustrie, die Kosmetikbranche, auf jene Instagram-Nutzer, die einem suggerieren, man müsse schöner und toller und besser werden. Denn sieht man die Welt wie Morena Diaz, dann tragen die Mode- und Kosmetikindustrie entscheidend dazu bei, dass viele von uns sich in ihrem Körper nicht wohlfühlen. Als Beispiel dafür führt sie Cellulite an: «Cellulite war nie ein Problem. Frauen haben das schon seit Jahrhunderten. Und dann fand irgendwann einmal eine Ärztin, dass es eine Behandlungsmöglichkeit gibt – und seither wird Cellulite als Makel dargestellt.» Und heute gibt es Crèmes, Spritzen, Therapien gegen Cellulite. Und das Ganze, so Morena Diaz, ist «nichts anderes als Geldmacherei. Die Kosmetikindustrie ist eine der schnellst wachsenden Industrien der Welt. Sie wächst mit unseren Unsicherheiten – und fördert und unterstützt diese.» Auch Morena Diaz konnte mit diesen Unsicherheiten lange nicht richtig umgehen. Doch heute sagt sie sich einfach: «Ich bin gut so wie ich bin, und ich verschwende mein Geld nicht.»

Langer Weg bis zur Selbstzufriedenheit

Doch bis Morena Diaz sich selbst so sehr akzeptieren konnte, musste sie oft und viel kämpfen. Mit etwa 18 rutschte sie langsam in eine Essstörung. «Irgendwann kam ich mit Fitness in Berührung, mit Rezepten, Tipps zum Abnehmen. Irgendwann habe ich dann auch immer kleinere Portionen gegessen», erinnert sich Morena. Neben der Ernährung – welche irgendwann längst nicht mehr genug Kalorien beinhaltete, um gesund zu bleiben – hat Morena Diaz auch angefangen, immer mehr Sport zu machen. So trainierte sie zu Spitzenzeiten zwei bis drei Stunden pro Tag. So sei sie dann nach und nach in eine Essstörung gerutscht: Zuerst Orthorexie – zwanghaftes gesund essen und leben – später Sportbulimie, zwanghaftes Kompensieren des Essens durch exzessives Sporttreiben. Damit immer verbunden: Angst vor scheinbar ungesundem Essen, Hungerperioden, Zwang und schlechtes Gewissen.

Irgendwann ist sie zusammengebrochen: Nach einem Kreislaufkollaps schloss sie nach und nach mit ihrer Essstörung ab, versuchte, alte Schönheitsideale zu vergessen und sich wieder tatsächlich gesund zu ernähren. Sie entschied, sich «intuitiv» zu ernähren, also einer Ernährungsphilosophie zu folgen, welche darauf ausgerichtet ist, dass genau das gegessen wird, worauf man gerade Lust hat. Dabei, meint Morena Diaz «kann es schon sein, dass man in den ersten Wochen, in denen man sich erlaubt, endlich mal einfach alles zu essen, auch die Dinge isst, die vorher vermieden wurden. Das kann die Angst auslösen, dass man plötzlich nur noch Dinge isst, die fettig oder zuckrig sind. Morena Diaz meint, dass das ganz am Anfang ganz normal sei, dass man aber, wenn man zu viel Fettiges oder Süsses esse, automatisch nach einer gewissen Zeit wieder Lust auf etwas Frisches habe. «Diese Angst ist wirklich unbegründet. Wenn man auf seinen Körper hört, pendelt sich das alles ein», erklärt Morena Diaz. Um dies zu illustrieren, ergänzt Morena noch: «Ich esse jeden Tag Schokolade. Aber dann halt nicht eine ganze Tafel, sondern einfach ein kleines Stück – weil ich merke: «Jetzt brauche ich etwas Süsses».

So gesund wie möglich und so glücklich wie möglich

Mit dieser Ernährungsphilosophie hat Morena ein Ziel:

«Es geht darum, den Punkt zu erreichen, wo Du dein Leben lebenswert empfindest».

Und dazu, ist Morena überzeugend, ist eine stabile, gesunde Beziehung zur Ernährung «mega wichtig». Allen, die versuchen, intuitiv zu essen, gibt Morena Diaz drei Tipps mit auf den Weg: «Auf den Körper hören: Iss, wenn du Hunger hast. Und hör auf, wenn du keinen Hunger mehr hast. Und, vor allem: Mach dir kein schlechtes Gewissen, wenn es mal nicht klappt. Das wird sich alles einpendeln.» Morena Diaz ist bewusst, dass eine solche Veränderung Zeit braucht. Denn wenn man lange kontrolliert isst – und das gilt auch für jene, die keine Essstörung hatten – ist es nur natürlich, dass es auch seine Zeit braucht, diese Kontrolle wieder abzugeben. Ist das intuitive Essen einmal geglückt und in den Alltag integriert, ist der Rest nicht mehr so wichtig: Denn ob das Resultat des Intuitiven Essens dann ab- oder zunehmen oder keines von beiden sei, spielt laut Morena Diaz keine Rolle. Denn schliesslich geht es darum, sich in seinem Körper wohlzufühlen. Und das erreiche man schlussendlich nicht durch abnehmen, sondern vor allem durch eines: Durch eine gute Balance aus Ernährung, Sport und Leben. Und durch Einklang – mit dem eigenen Körper, vor allem aber: mit sich selbst.

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