All you need is love!

Was versetzt stärker in Extase als Kokain, was macht schneller süchtig als Nikotin und welcher Entzug ist schlimmer als bei Heroin? It‘s love, stupid! Doch was ist die Liebe eigentlich und weshalb wirkt sie auf uns wie eine Droge?

All you need is love, sangen die Beatles 1967. Auch ein halbes Jahrhundert nach dem Summer of Love ist der Song aktuell und wird es wohl immer bleiben, denn er behandelt ein universelles Thema: die Liebe. Über kaum ein anderes Sujet ist mehr geschrieben, gesungen, gedacht, gemalt und gefilmt worden. Doch was ist die Liebe überhaupt? Trotz aller Bearbeitungen des Stoffes ist man zu keiner allgemeingültigen Antwort gekommen, sondern hat nur Einzelschicksale beschrieben. Könnte man nicht von all diesen Fallbeispielen wie in der Biologie Gesetzmässigkeiten ableiten?

Doch wie soll man denn überhaupt einen Anfang finden, in diesem Wirrwarr der Gefühle, in diesem undurchschaubaren Dschungel von Blicken und Gesten und klopfenden Herzen? Treten wir lieber einen Schritt zurück und versuchen unter der diffusen Hülle des Subjektiven die schönen, klaren, harten Fakten freizulegen.

Bei Wikipedia heisst es: Verliebtheit sei ein Gefühl starker Zuneigung, das laut Wissenschaftlern mit einer Fehleinschätzung des Partners einhergehe. Fehler des/der Geliebten würden idealisiert oder gleich ignoriert. Eine ziemlich beunruhigende Vorstellung: Vielleicht idealisiert man die/den Geliebten so sehr, dass man glatt Leichen im Keller übersehen könnte.

Regel Nummer 1: Traue niemandem, am wenigsten dir selbst.

Wie verliebt man sich denn? Laut Studien sind physische Attraktivität und gegenseitige Sympathie ausschlaggebend für das Sich-Verlieben, ebenso Ähnlichkeit und häufige Interaktion. Die Qualität des Gesprächs wurde ebenfalls als mögliches Kriterium in Betracht gezogen, jedoch konnte dies weder bei Männer noch Frauen nachgewiesen werden. Offenbar spielt der Inhalt eine wesentlich kleinere Rolle als physische Attraktivität. Muss nun die gesamte „Nur deine inneren Werte zählen“-Philosophie Lügen gestraft werden?

Regel Nummer 2: Du musst nicht intelligent sein, wenn du hübsch bist. Und verbringe möglichst viel Zeit mit jemandem, dem du möglichst ähnlich bist.

Ein weiteres berühmtes Experiment bezüglich des Sich-Verliebens ist das sogenannte Brückenexperiment. Eine junge Frau stellte sich wegen eines Forschungsprojektes auf eine wackelige Brücke und verteilte ihre persönliche Telefonnummer an Passanten. Falls diese noch eine Frage hätten, sollten sie anrufen. Beim zweiten Durchlauf befragte die Frau Passanten, die die Brücke bereits überquert hatten. Es riefen bedeutend mehr Leute an, die die Nummer bereits auf der Brücke erhalten hatten. Offenbar empfanden sie das Überqueren der wackeligen Brücke als gefährlich oder aufregend, übertrugen die Ursache für das Adrenalin in ihrem Blut aber auf die Frau und verwechselten es mit Verliebtheit.

Regel Nummer 3: Am ersten Date geht’s zum Bungee-Jumpen!

Das Verlieben selber ist eine eher nüchterne Angelegenheit von biochemischen Prozessen: Ein paar Hormone werden ausgeschüttet und schon tanzen die Schmetterlinge im Bauch. Das Adrenalin jagt unseren Puls in die Höhe und sorgt für das Kribbeln und die schwitzigen Hände, unser Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt wie in einer Gefahrensituation – Flirten ist also Stress pur.

Dank dem Glückshormon Dopamin sind wir so herrlich gut drauf und bei Körperkontakt wird Oxytocin ausgeschüttet, das unser Vertrauen und Bindung zum Gegenüber stärkt. Mit der Zeit sinkt der Oxytocinspiegel, weshalb Beziehungen eher bröckeln.

Regel Nummer 4: Besonders viel kuscheln.

Doch natürlich sind Verliebte nicht immer himmelhoch jauchzend, sondern oft zu Tode betrübt. Schuld daran ist das Neurotrophin, das für die Sprunghaftigkeit und das irrationale Handeln Verliebter verantwortlich ist. Als wäre dies nicht schon verwirrend genug, kommt noch Glücksbotenstoff Serotonin dazu, dessen Spiegel paradoxerweise sinkt. Zwangsneurotiker weisen übrigens ähnlich tiefe Serotoninwerte auf wie frisch Verliebte. Die italienische Wissenschaftlerin Donatella Marazziti interpretiert, dass Verliebte – ähnlich wie bei einer Zwangsneurose – auf ihren Schatz fixiert sind. Liegt der indonesische Stamm der Makassaren also gar nicht so falsch, wenn sie die Verliebtheit als typische Jugenderkrankung ansehen, die umgehend behandelt werden muss?

Apropos Krankheit: Der Hormonhaushalt von Verliebten kann durchaus mit dem eines Suchterkrankten verglichen werden: Verliebte reagieren gleich auf ein Foto ihres Schatzes wie Alkoholiker auf den Anblick von Vodka. Dies erklärt, weshalb man vom Liebesrausch spricht.

Lautet Regel Nummer 5 also: Wenn verliebt, sofort in Klinik
einweisen?

Nein, natürlich nicht: Laut Psychotherapeut Thomas Spielmann sorgt der Hormoncocktail dafür, dass sich zwei Individuen erst aufeinander einlassen.

Ist dies nun die Wahrheit über die Liebe? Wissenschaftliche Daten können zwar die äusseren Umstände der Liebe beschreiben, doch damit wird man dem subjektiven Empfinden nicht gerecht. Vielleicht ist dies gerade der Zauber: Dass jede und jeder – trotz aller Kunst und Wissenschaft – selber herausfinden muss, was die Liebe wirklich bedeutet.

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