Illustration: Srdjan Paravac

Mikroabenteuer

Da gibt es diese Menschen. Ich kenne keine persönlich, aber da gibt es diese Menschen, die einfach machen, die schon alles erlebt haben und noch zu so viel mehr bereit sind. Diese Menschen, die morgens aufstehen und schon so viel zu tun haben und damit meine ich keine To-do-Liste voller Dingen, die sie hassen. Nein, sie haben jeden Tag Abenteuer zu erleben. Sie klettern auf Berge, schlafen im Wald und laufen einfach los. Und dann gibt es Menschen wie mich und wahrscheinlich auch dich, die meistens nicht viel zu tun haben und wenn, dann ist es aufzuräumen oder noch die Schularbeit fertig zu machen. Diese Dinge machen doch aber niemanden glücklich. Es gibt Menschen, die sich ihr Leben lang nach Abenteuern ausstrecken, aber wenn dann mal eins vor der Nase ist, doch lieber die Hand einziehen und sich auf morgen, später oder bald vertrösten. Und das ist ganz normal, denn anzufangen ist scheisse schwierig. Nicht nur ist der Anfang schwierig, ausserdem sind da noch so viele Ausreden, keine Zeit und diese Verantwortung.

Alastair Humphrey ist Abenteurer und Autor, der in seinen Büchern über seine Reisen und Erlebnissen schreibt. Als er Vater wurde, dachte er, er müsse seinen waghalsigen Lebensstil an den Nagel hängen, denn nun hatte auch er Verantwortung. Doch es kribbelte ihm in den Fingern, wenn er zu lange am gleichen Ort blieb und das Adrenalin nicht durch seine Adern strömte. Die Natur und die Schönheit dieser rief nach ihm, doch er konnte nicht einfach wieder aufbrechen, um die Welt mit dem Fahrrad zu umfahren oder über den Atlantik zu segeln. Er hatte nun diese Verantwortung. Die Verantwortung, die der Rest der Welt tagtäglich mit sich trägt.

“What if you make it easy, what if you make it so small, so short on your tie that really there is no excuse not to get started. What if you have a microadventure?” - Alastair Humphrey

Das Prinzip von microadventures ist es, Abenteuer für jeden möglich zu machen, die sparsame Zeit mit Erlebnissen zu füllen und das Beste aus unserem Leben zu machen. Alastair verbrachte ein Jahr in seinem Heimatland, England, und erlebte dort kleine Abenteuer, auch wenn sie nur so vor Langeweile strotzen. Er sagt, für ihn sei es wichtig auch die Nacht unter freiem Himmel zu verbringen und so läuft er am Tag auf den nächstbesten Berg und schlägt dort ein Lager für die Nacht auf. Er verliebte sich in die microadventures und schrieb ein Buch darüber, um den Menschen zu zeigen, dass es nicht schwer ist. Diese kleinen Abenteuer, auf einem Berg oder im Wald schlafen, den Bach hinauf waten oder im Heu beim Bauern übernachten, benötigen nicht viel logistische Planung, sie sollen nicht teuer sein und nicht auf der anderen Seite des Planeten liegen. Man muss nicht nach Afrika oder Indien, um die Schönheit unserer Erde zu sehen. Nach einem Wochenende in der Welt kannst du nun, wenn dich am Montag jemand fragt, was du am Wochenende so getrieben hast, eine Geschichte erzählen. Du kannst von der Natur, dem Sonnenuntergang und von der grossartigen Zeit erzählen, die du erlebt hast.

Das Prinzip von microadventures ist es, Abenteuer für jeden möglich zu machen, die sparsame Zeit mit Erlebnissen zu füllen und das Beste aus unserem Leben zu machen.

Auch bei kleinen Abenteuern ist der Anfang schwer. Suche dir als erstes eine Karte. Wäre gut, wenn es eine Karte deiner Stadt und ein bisschen Umgebung ist. Und nein, ich rede nicht von Google Maps. Frag einfach deine Eltern, ob sie noch eine alte Karte von Basel haben, so eine auf Papier. Dann suche dir eine möglichst ländliche Gegend. Es ist noch nicht wichtig, dass es der schönste Ort ist, es ist wichtig, dass du anfängst. Satellitenbilder auf Google Maps sind dabei wiederum sehr hilfreich. Aber Papierkarten haben diesen Charm, der nicht fehlen darf.  Alastair sagt auch, falls du bei Dunkelheit ankommst, sei das Finden eines Schlafplatzes umso einfacher. Naja, fürs erste Mal vielleicht ein bisschen beängstigend, aber einfach ausprobieren.

Auch das Wetter und das Klima sind eine angenehme Ausrede. Frühling ist perfekt. Auch wenn’s noch ein bisschen kalt ist, reichen ein Schlafsack und eine Isomatte ganz einfach, um dich warm zu halten. Zudem ist es wieder hell und die Nächte dauern nicht mehr zwölf Stunden an.

Sommer ist natürlich noch besser. Im Sommer hält dich wirklich nichts mehr auf, es gibt keine Ausreden! Selbst die Isomatte kannst du in warmen Nächten zuhause lassen.

Im Herbst ist ein Feuer und vielleicht auch ein warmer Tee nicht mehr wegzudenken. Aber trotzdem ist es immer noch machbar. Hier auch wieder zu empfehlen: eine Isomatte. Zusätzlich wird es langsam auch Zeit für einen sogenannten Biwaksack. Er schützt als Schlafsacküberzug vor Nässe, dem grössten Verursacher von Kälte.

Wenn es nun um die Null Grad sind, dann ist draussen schlafen auch noch möglich. Wenn du denkst, dass es nun aber nur noch ungemütlicher, kalt und nass ist, dann stimmt das wahrscheinlich schon. Aber auch im Winter lässt es sich’s gemütlich machen. Nimm einfach wieder alles mit, was du auch im Herbst schon dabei hattest. Zudem kannst du noch eine Plane unter deine Isomatte legen, damit auch von unten keine Kälte und Nässe dich erreichen können. Dann empfehle ich dir, eine Wärmeflasche mitzunehmen und diese mit heissem Wasser vom Feuer zu befüllen. Achtung, das Wasser sollte aber nicht kochen, sonst besteht die Gefahr, dass die Flasche platzt. Mach deinen Schlafplatz erst unmittelbar bevor du hineinschlüpfst bereit. Du kannst dir auch aus herumliegenden Baumstämmen, Zweigen und Blättern eine windfeste «Höhle» bauen. Um die Zeit bis zur Nachtruhe zu vertreiben, ist Bewegung sehr empfohlen. Mach noch einen kleinen Spaziergang und erkunde die Umgebung, bevor du deine Augen schliesst. Vergiss nicht, leg einfach los. Du musst natürlich nicht gleich draussen übernachten, wenn es dir zu kalt ist, aber sei dir bewusst, dass es möglich ist. Rede dir deinen Spass nicht selbst aus. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!

Mach noch einen kleinen Spaziergang und erkunde die Umgebung, bevor du deine Augen schliesst.

Illustration: Srdjan Paravac

Nun, was sollte man denn überhaupt einpacken? Was du nicht hast, haben vielleicht deine Nachbarn, Grosseltern oder Freunde. Geh einfach mit dem, was du finden kannst.

  • Schlafsack
  • Schlafmatte, am besten eine Isolierende
  • Kissen (also ich kann ohne kein Auge zutun)
  • Biwaksack
  • Eine Plane, falls es regnet. Ganz einfach ist sie zwischen zwei Bäumen gespannt.
  • Seile, um die Plane zu befestigen 
  • Eine Mütze ist auch im Sommer ganz praktisch
  • Wasserfeste Kleider für den Tag und warme Sachen für die Nacht. Hier ist mehr besser, als zu wenig. Übrigens, was sich zu eng anfühlt, lässt dich auch kalt werden. Fünf Socken übereinander sind also nicht nötig.
  • Taschenlampe
  • Zahnbürste (nicht das wichtigste aber achte doch darauf, dass deine Zahnpasta abbaubar ist)
  • Wasser und Essen
  • Dinge, um dein Feuer zum Brennen zu bringen
  • Schweizertaschenmesser (muss einfach mit)

Fühle dich aber frei, mitzunehmen, was du brauchst und zuhause zu lassen, was du nicht unbedingt benötigst. Es geht hierbei darum, in der Natur und mit der Natur zu sein. Zelt, Campingstühle und Tisch sind übrigens verboten. So wie vieles werden die gesetzlichen Bestimmungen fürs Wildcampen in der Schweiz kantonal bestimmt, meist sogar unterscheiden sich die Verbote in den verschiedenen Gemeinden. Es gilt also: je besser informiert,  desto einfacher kann man eine Busse oder Ärger mit dem Bauern vermeiden.

Verboten ist es, in Naturschutzgebieten, Wildruhezonen, Jagdgebieten oder Nationalparks zu übernachten.

In Basel-Stadt und Basel-Land ist das Wildcampen leider verboten, allerdings gibt es eine Hintertür. Denn mit dem Biwak und ohne Zelt, mit viel Rücksicht und ja keinem zurückgelassenem Abfall bist du schon auf einem guten Weg. Frag zudem am besten noch bei der Gemeinde oder der Polizei nach. Du kannst auch den Bauer deines Vertrauens (oder irgendeinen anderen) fragen, ob du bei ihm auf der Wiese ein Plätzchen haben kannst. Wie bereits erwähnt, wenn du willst, dann kannst du auch.

Es gibt übrigens noch mehr Möglichkeiten, ein Mikroabenteuer zu erleben, als im Wald zu schlafen. Auf einem Hügel mit Aussicht auf die ganze Stadt ist es auch sehr schön, schau vielleicht mal auf dem Hornfels in der Nähe des Friedhofes am Hörnli vorbei. Irgendwo am Rheinufer ist es auch schön. Mit dem Velo zur Rheinquelle sind es ca. 435 Kilometer. Ein eher langes Microadventure, aber für die Ferien wunderbar geeignet. Es gibt hunderte Ideen, wie du in der Natur glücklich sein kannst, dazu braucht es nicht viel. Wichtig ist, einfach loszulegen.

Was ich dir auch unbedingt ans Herzen legen möchte: schreib dein Abenteuer auf, fotografiere es oder trockne eine Blume und hänge diese auf. Abenteuer zu erleben ist grossartig, aber sich daran zurückzuerinnern macht auch Freude und zaubert einem immer wieder ein Lächeln ins Gesicht.

Darf ich dir noch ein Geheimnis verraten. Ich hab das auch noch nie gemacht, aber es kribbelt mir in den Fingern und wir könnten es ja zusammen ausprobieren. Ich hoffe, wir gehen bis dahin in unseren vier Wänden nicht ein.

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