Illustration: Olivia Grey

Gedanken zu Reise

Sind wir daheim, haben wir Fernweh. Doch sind wir fern davon, haben wir Heimweh. Wir besitzen einen inneren Drang nach dem, was wir gerade nicht haben; nach dem, was wir anderswo erleben könnten. Wir alle befin- den uns auf mehr als nur einer Reise, doch alle auf jener des Lebens. Es gibt so viele unterschiedliche Reisen, doch haben sie so einiges gemeinsam.

Eine Reise beantwortet viele Fragen, doch wirft sie auch neue auf. Noch vor Beginn stellt sich die Frage: Wieso? Wieso begeben wir uns überhaupt auf diese Reise? Sind wir neugierig, wollen neues entdecken? Suchen wir nach der Antwort auf eine Frage, die uns schon länger beschäftigt? Oder ist es doch weniger etwas, das in der Ferne lockt, denn ein Umstand, der uns vertreibt? Halten wir unsere Situation nicht mehr aus; verspüren einen Drang nach Veränderung?

Doch ist das, was uns aufbrechen lässt, auch genug Antrieb für die gesamte Reise? Was wird uns durchhalten lassen, bis wir unser Ziel erreichen? Was ist unser Nordstern, nach dem wir uns richten? Wie werden wir navigieren? Wen holen wir in unsere Mannschaft? Sind wir flexibel genug, auf drehende Winde zu unseren Gunsten zu reagieren und ausdauernd genug, bei Flaute auszuharren? Was lassen wir zurück, um aufzubrechen und was nehmen wir mit; ist uns dienlich auf unser Reise?

Wir sortieren aus, nehmen mit, was uns nützt, gut tut, stärkt, weiterbringt und trennen uns von dem Ballast, der die Reise erschwert, uns aufhält, daran hindert uns zu verändern und als Person zu wachsen. Zu manchem werden wir öfter zurückkehren, bevor es uns gelingt, es hinter uns zu lassen. Anderes schütteln wir mit Leichtigkeit ab. Und dann gibt es noch jenes, dessen Wert uns erst bewusst wird, wenn wir eine Weile davon getrennt sind; das wir danach erst richtig zu schätzen wissen. Wir planen den Weg penibel oder gehen direkt los; stürzen uns ins Abenteuer. Unabhängig von unserem Vorgehen, werden wir auf Dinge stossen, welche wir nicht vorhersehen konnten; müssen Umwege ge- hen, um ans Ziel zu gelangen. Manch einer entdeckt auf dem Umweg sogar ein attraktiveres Ziel und ändert seine Route samt Destination.

Ob eine Planung entsprechend dem Ziel, das wir vor Augen haben, erfolgt oder ob wir auf dem Weg unseren Ankunftsort bestimmen, was zählt ist die Reise; die Zeitspanne zwischen Aufbruch und Ankunft.

Ob eine Planung entsprechend dem Ziel, das wir vor Augen haben, erfolgt oder ob wir auf dem Weg unseren Ankunftsort bestimmen, was zählt ist die Reise; die Zeitspanne zwischen Aufbruch und Ankunft.

Wir brechen aus, verlassen unser bekanntes Umfeld; lassen unsere momentane Wahrheit zurück. Alles Neue ist uns zu Beginn fremd; wir sind es uns nicht gewohnt. Doch erscheint es uns nur fremd, solange wir selbst fremd sind in unserer Umgebung. Sobald wir uns daran gewöhnen, beginnen als Teil unseres Umfelds zu agieren, entwickeln wir ein Gefühl der Zugehörigkeit und das Unbekannte verliert seine Fremdheit. Wir begegnen Personen, Kulturen, Landschaften, Denk- weisen; anderen Perspektiven des Lebens. Unser Blick auf das Leben verändert sich, da wir nun mehr gesehen, mehr Erfahrung gesammelt haben. Alles was uns auf unser Reise begegnet sind Erfahrungen, die uns prägen. Mal kratzen sie nur leicht an der Oberfläche, mal versetzen sie Berge. Doch unverändert kommen wir nicht davon. Auf einer Reise verändern sich die Umstände, doch auch wir vollziehen einen Wandel.

Sobald wir uns daran gewöhnen, beginnen als Teil unseres Umfelds zu agieren, entwickeln wir ein Gefühl der Zugehörigkeit und das Unbekannte verliert seine Fremdheit.

Wir kehren zurück als jemand anderes. Jemand, der erfahrener, an Wissen reicher und an Herausforderungen gewachsen ist; dessen Charakter geformt wurde.

Was sehen wir, wenn wir zurückblicken auf unser altes Leben mit den neuen Augen, die schon so viel mehr gesehen haben? Was für Lektionen haben wir gelernt, welche Narben zurückbehalten? Stehen wir dazu, sind stolz auf sie oder verstecken sie mit Scham? Was ma- chen wir aus all dem, was uns diese Reise geschenkt hat? Wie können wir uns und unsere persönliche Geschichte einbringen?

Denn eben das wird aus einer jeden Reise; eine Geschichte. Erzählen wir sie, durchleben wir die Reise mit all ihren Eindrücken erneut. Wir geben die gelernten Lektionen weiter an andere, deren Aufgabe es nun ist, auszusortieren, ob diese Informationen ihnen dienen, wie sie planen, ob und wann sie ausbrechen werden, um sich aufzumachen in die grosse weite Welt der Erfahrungen, gespannt, was ihnen begegnen wird. Und auch sie werden zurückkehren; etwas zu erzählen ha- ben, das sie geformt hat; ihre eigene Geschichte.

Mach auch du dich immer wieder auf die Reise, deine eigene Geschichte zu schreiben!

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