Symbolbild Speedtracking, Quelle: otra ruta, Pexels

Berner Superman im Kampf gegen den Klimawandel

Berner gelten als langsam, doch Marc Hauser überzeugt uns vom Gegenteil: Der 47-jährige hält mit 304 km/h den Weltrekord für den schnellsten horizontalen freien Fall. Beim sogenannten Speed Tracking springt er aus einer Höhe von 7‘500 m ganz ohne Wingsuit aus dem Flugzeug und fliegt wie ein Superheld über die Erde. Wie jeder Superheld hat auch Marc Hauser eine Mission: Was seine todesmutigen Sprünge mit erneuerbaren Energien und dem Jetstream zutun haben, erfahrt ihr im Interview.

Marc Hauser, beschreibe uns, wie deine Flugtechnik funktioniert.

Ich fliege im freien Fall vorwärts, ich nenne dies Speed Tracking. Ich verlasse das Flugzeug mit gestreckten Armen und Beinen und fliege schräg vorwärts in der Art eines „Seemann-Kopfsprungs“. Nach einem ungefähr neunzigsekündigen Flug lande ich mit einem Fallschirm.

Du fliegst also wie ein Superheld.

Ja genau, ausser dass ich meine Faust nicht balle (lacht).

Welche Ausrüstung verwendest du, um dich vor den Gefahren zu schützen?

Die Geschwindigkeit als solche und der Luftdruck stellen kein besonderes Problem dar. Am wichtigsten ist der Schutz gegen die Kälte (-40 °C!). Die Kleidung besteht aus sechs Thermoschichten nach dem Zwiebelprinzip, wie bei den Alpinisten. Der Sprunganzug selber hat eine „Überlebensfolie“, die mit silbernem Pulver beschichtet ist. Und es braucht natürlich eine Sauerstoffversorgung. Schon am Boden muss man mit reinem Sauerstoff versorgt sein.

Du bist nicht nur Weltrekordhalter für den schnellsten freien Fall, nun bist du auch als erster Mensch in den Jetstream gesprungen. Nun dreht BBC einen Dokumentarfilm mit dir. Kannst du dazu noch mehr erzählen?

Der Jetstream enthält riesige Energiemengen, die bisher nicht genutzt werden (ausser den Rückenwind beim Fliegen, womit grosse Mengen an Kerosin eingespart werden können). Aber es wird aus dem Jetstream keine direkte Energie gewonnen. Es gibt nun aber drei Schweizer Firmen, die in möglichst grosser Höhe fliegende Drachensysteme einsetzen wollen, um die Energie aus dem Jetstream auf die Erde zu bringen. Diese werden im BBC- Dokumentarfilm porträtiert.

Der Jetstream enthält riesige Energiemengen, die bisher nicht genutzt werden.

Und du hilfst mit deiner revolutionären Flugtechnik, auf diese Entwicklungen aufmerksam zu machen.

Ja, ich bin der erste Mensch, der ausserhalb eines Flugzeugs oder eines Heissluftballons, d. h. im freien Fall, im Jetstream geflogen ist. Man wusste vorher gar nicht, ob dies überhaupt möglich ist und was die Auswirkungen auf den menschlichen Körper sind. Es spielen sehr viele Faktoren zusammen, dass man einen Menschen in den Jetstream springen lassen kann, es darf zum Beispiel nicht zu viele Wolken und am Boden nicht zu viel Wind haben, sonst kann man nicht sicher landen. Das Speed Tracking ist aber ein guter Aufhänger, um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass es dort oben im Himmel ein Windband gibt (was vielen Leuten unbekannt ist) und dass es dort sehr viel Energie gibt, die man „herunterholen“ könnte (was noch viel weniger Menschen wissen).

Empfindest du Angst vor deinen Sprüngen, und wie gehst du damit um?

Ich habe vor jedem Sprung Angst und leide übrigens auch an Höhenangst, zum Beispiel auf hohen Leitern oder Gebäuden. Ich bin auch nicht der grosse Held, der auf dem Kirschbaum noch die letzte und höchste Frucht herunterholt (lacht). Ich habe mir einfach gesagt, wenn ich gegen die Angst nicht mehr ankämpfe, d. h. sie akzeptiere und gewissermassen integriere, geht es besser. Ich kann dann „zusammen mit der Angst“ Dinge realisieren, über die ich selber staune.

Aber der Sprung aus dem Flugzeug in den Jetstream ist doch viel gefährlicher, als auf eine Leiter zu steigen...

Der freie Fall nach dem Sprung aus dem Flugzeug ist eigentlich recht sicher. In der ersten Minute geschieht gar nicht viel. Die Schreckmomente kommen allenfalls erst, wenn der Fallschirm geöffnet werden muss und nicht alles nach Plan verläuft. Heute ist Fallschirmspringen aber nicht gefährlicher als Scuba Diving, man kommt eigentlich fast immer heil unten an. Das Material hat sich stark verbessert, und man hört nur noch selten von Unfällen, wo der Fallschirm versagt hat. Selbst wenn man ohnmächtig werden sollte, öffnet sich der Fallschirm automatisch.

Heute ist Fallschirmspringen aber nicht gefährlicher als Scuba Diving, man kommt eigentlich fast immer heil unten an.

Das Gefühl beim Springen entspricht dem, was ich mir schon als Kind vorgestellt habe. Ich wollte schon damals ohne Hilfe fliegen können. Leider kann man noch nicht vom Boden abheben und ist auf ein Flugzeug angewiesen… Was ich beim Springen erlebe, entspricht aber voll und ganz meinen Träumen aus der Kindheit.

Denkst du, dass Clean Energy zukunftstauglich ist und massentauglich wird?

Wenn der politische Wille da ist, werden sicher alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die sich anbieten. Man schätzt, dass 2-3 % der Energie, die im Jetstream steckt, ausreichen würden, um den Gesamtbedarf der Menschheit zu decken. Es wäre deshalb sehr dumm, nicht in die entsprechende Entwicklung zu investieren. Das Potenzial ist aber eben noch kaum bekannt, weswegen es wichtig ist, besonders junge Leute im Alter zwischen 10 und 20 Jahren zu inspirieren und dazu zu bringen, dass sie sich sagen: Das ist genau mein Weg!

Heute gibt es nicht nur Konzepte, sondern bereits Prototypen, die tipptopp funktionieren. Es geht jetzt darum, diese grösser, leistungsfähiger und markttauglich zu machen.

Du hast den politischen Willen angesprochen, der für die Realisierung nötig ist. Ist dieser deiner Ansicht nach vorhanden?

Ich setze vor allem auf private Initiative, zum Beispiel die Förderung durch Stiftungen. Um den Staat dazu zu bringen, diese Technik zu unterstützen, braucht es aber noch erhebliche Anstrengungen. Dabei würde ein hoher Ölpreis sicher helfen, aber die Entwicklung der letzten Jahre geht in die andere Richtung, nämlich eine Erhöhung der Fördermengen (Stichwort Fracking). Besonders die jetzige amerikanische Regierung ist sicher nicht willens, die Entwicklung alternativer Energien zu fördern. Es muss deshalb mit privater Unterstützung gelingen, eine Technik zu entwickeln, die die Energie so günstig vom Himmel holt, dass das Geschäft rentiert. Und das muss es am Ende natürlich. Es muss also noch sehr viel passieren, bis sich die neue Art der Energiegewinnung durchsetzen kann.

Was war eigentlich die grösste Herausforderung für dich?

Am Anfang schien es völlig unwahrscheinlich, dass wir es schaffen könnten. Andere Teams, die es ebenfalls versucht haben, mussten aufgeben, obwohl sie wesentlich mehr Erfahrung und Ressourcen zur Verfügung hatten als wir. Am schwierigsten war es, trotz allen Schwierigkeiten immer dranzubleiben, immer einen weiteren Schritt zu machen, bis es schliesslich doch gelungen ist. Wir mussten x gescheiterte Versuche in der Schweiz hinnehmen, wir hatten Finanzierungsprobleme, und es war eine grosse Herausforderung, überhaupt genügend Leute zu finden, die fähig und willens sind, sich für ein derart komplexes Projekt zu engagieren. Es war letztlich auch viel Glück dabei. Ich weiss nicht, ob ich es ein zweites Mal wagen würde, ein Abenteuer mit derart ungewissen Erfolgsaussichten anzupacken.

Es muss ein cooles Gefühl sein, es geschafft zu haben!

Ja, das ist es!

Höhenwinde und ihre enorme Energie

Winde entstehen durch die ungleichmässige Erwärmung der Erdoberfläche und den darüberliegenden Luftmassen durch die Sonne. Die Teilchen der Luft bewegen sich unterschiedlich schnell und aufgrund des Gesetzes der Entropie fangen die Luftmassen an zu zirkulieren. Wind ist also nichts anderes als Sonnenenergie, die in Bewegungsenergie umgewandelt wurde. Höhenwinde wie der Jet Stream sind viel stärker, konstanter und gleichmässiger verteilt als die Winde nah an der Erdoberfläche. Man müsste nur etwa 2-3% der Höhenwindenergie nutzen, um alle Energiebedürfnisse der Welt zu befriedigen.

Daher tüfteln zahlreiche junge Start-ups an neuen Innovationen, um diese erneuerbare Energiequelle auszuschöpfen; so auch in der Schweiz. Viele dieser Start-ups haben das AWE-Konzept (Altitude Wind Energy) weiterentwickelt, welches in den späten Siebzigerjahren von Miles L. Loyd erfunden wurde. Das Prinzip besteht darin, ein Flugobjekt an einem langen Seil wie einen Drachen fliegen zu lassen. Durch die Windbewegungen, die das Flugobjekt herumschleudern, wird Zug auf das Seil ausgeübt und somit ein Generator betrieben, der Strom produziert.

Skypull ist ein Start up aus Lugano. Sie produzieren nach dem AWE-Prinzip Strom und haben eine Drohne als Flugobjekt entwickelt, welche dank reduziertem Gewicht optimal Strom produzieren kann. Die Stromgestehungskosten (Kosten der Energieumwandlung einer Energieform in elektrischen Strom) sind dadurch niedriger als bei konventionellen Windturbinen.

Twingtec aus Dübendorf hat das erste mobile Windenergiesystem entwickelt. Twingtec funktioniert ebenfalls nach dem AWE-Prinzip. Ihr Flugobjekt kann selbstständig wie eine Drohne abheben und landen und erkennt, wenn es keinen Wind mehr hat. Somit kann Twingtec überall, wo es Wind gibt, flexibel Strom produzieren, beispielsweise auch in Gebieten mit unzulänglicher Infrastruktur.

Brainwhere aus Kilchberg hatt eine Windturbine entwickelt, welche die Energie des Jetstreams nutzt. Das Start-up hat nun das Patent für seine Erfindung eingereicht.

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