Wie weit wird sich die Militärpräsenz von China wohl noch steigern?
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So fern und doch so nah?

Wie erweitert die Volksrepublik China klammheimlich ihren globalen Einfluss?

Distanzen werden oft überschätzt, etwas Fernes scheint nah, grosses scheint klein. Die früher noch so ferne Situation im Osten stellt diese Betrachtung auf den Kopf und nimmt mit der rapiden territorialen Expansion Chinas unschöne Formen an. Nicht wenige Experten sehen einen potentiellen Krieg am Horizont, falls sich Chinas Aussenpolitik nicht ändert.

Geschichte wiederholt sich – für die, die etwas davon verstehen, ist das zweite Mal meist eine Farce. Derzeitig ähnelt die territoriale Expansion Chinas in Asien der politischen Situation in Europa kurz vor dem ersten Weltkrieg, nur dass der Imperialismus auf dem eigenen Kontinent betrieben wird. Das neueste Vergehen betrifft Bhutan, ein kleines Land im Nordosten Indiens. Beijing beansprucht ein 89 km2 grosses Stück im Westen dieses winzigen, die Schweiz in Grösse unterbietenden Staates. Gefordert wird das Doklam Plateau in der Nähe der dreifachen Grenze zwischen Bhutan, Indien und China. In China ist es allgemein schon als Donglong Plateau bekannt. Das Auftauchen eines Srassenerschliessungstrupps provozierte den Grenzübergang von indischen Soldaten, die den Bau der Strasse aufhielten. Diese Entscheidung des indischen Militärs gründet in den strategischen Qualitäten des umstrittenen Plateaus, dessen Lage in der unmittelbaren Umgebung über dem Siliguri Korridor eine Besetzung dieser einzigen, dünnen Nabelschnur zwischen Nordostindien und dem Rest des Landes erlaubt. Die Erschliessung der Strasse hätte eine massive Erleichterung der Truppenbewegung für die chinesische Armee in das Gebiet bedeutet. Chinas staatliche Nachrichtenagentur, Xinhua, sagte Indiens Grenzübertritt sei «eine unverhohlene Verletzung der Souveränität Chinas». Nun wird auf beiden Seiten des Himalayas erhitzt über die Möglichkeit eines Krieges zwischen den beiden
Atommächten diskutiert.

Dies sieht für die diplomatischen Verhältnisse zwischen Indien und China nicht nach einer rosigen Zukunft aus. Man würde vermuten, dass sich so ein Verhalten nicht bewährt, wie im Indisch-Chinesischen Grenzkrieg im Jahre 1962 schon gesehen, und ergo nicht wiederholt wird, um wie China angibt, einen «friedvollen Aufstieg» zu vollziehen. Entgegen der Propaganda der staatlichen Nachrichtenagentur, ist der territoriale Anspruch Chinas auch im Südchinesischen Meer alles andere als friedlich.
Im Juni erlaubte die Regierung Vietnams Ölbohrungen in von China beanspruchten Gewässern. Gewässern, welche dem Seerechtsübereinkommen zufolge zu Vietnam gehören, und die ohne jede Erklärung von Beijing als chinesisch erklärt worden sind. Nach einer verwehrten Bitte Chinas, die Bohrungen zu stoppen, drohte China mit militärischen Aktionen gegen vietnamesische Basen im Südchinesischen Meer. Auf diese etwas andere Aufforderung hin verliess das Bohrschiff das Ölfeld und liegt bis auf weiteres in Malaysia vor Anker.

All dies ist ziemlich genau auf der anderen Seite der Welt vom Verfassungsort dieses Artikels aus geschehen. Diese Konflikte im Südchinesischen Meer beeinflussen somit die westlichen Länder zumindest nicht direkt. Für die nächste Zeit sind wir sicher vor dem Eingreifen Chinas in unsere Territorialrechte. Wäre da nur nicht der stetige Versuch Chinas, diese im Moment noch schützende Distanz nicht tatsächlich, aber figürlich bedeutend zu verkleinern.
China will mit ihrem neuesten Megaprojekt eine der ersten interkontinentalen Handelsrouten wieder aufleben lassen. Mit dem Ziel, insgesamt 900 Milliarden US Dollar in 68 Länder zu investieren, haben sie keine leichte Aufgabe. Der Plan wurde 2015 veröffentlicht und hat bis heute 70 Mitgliedstaaten für eine der involvierten Banken, der AIIB (Asiatische Infrastruktur Investment Bank), gefunden.
China will mit dieser wahrlich internationalen Unternehmung Wirtschaft und Infrastruktur in den von der neuen Seidenstrasse passierten Ländern fördern, Konnektivität in Form von Strassen-, Strom- und Informationsnetzen ausbauen und für mehr bürokratische und kulturelle Offenheit unter den betroffenen Regierungen und Bevölkerungen sorgen. Die sogenannte «neue Seidenstrasse» soll aus einer Land- und Seeroute bestehen. Es werden somit annähernd alle logistischen Systeme ausgebaut werden. Die Modernisierung der Luftfahrt wird in von der Staatszeitung China Daily veröffentlichten Initiative zwar auch erwähnt, jedoch nicht priorisiert. Dies soll alles unter grünen Bedingungen und mit Achtung der Natur geschehen. Die von China ausgehenden Gelder sollen sogar auf Kooperation in dieser ökologischen Arbeitsweise konditioniert sein. Weitere Konditionen beinhalten politische Versprechen, wachstumsorientierte Gesetzgebung im eigenen Land fördern und den Besitz eines gewissen sozialen Niveaus. Keine dieser drei Bedingungen sind von China ausführlich definiert worden. Solch ein Aufrüsten der globalen Wirtschaft ist natürlich nicht uneigennützig. China zieht sehr wohl einen Vorteil aus ihrem Projekt: Der Ausbau des Strassennetzes und dessen Konsequenzen wurden schon weiter oben in diesem Artikel besprochen. Mit schnellerer Informationstechnologie verhält es sich ähnlich. Vor allem der Ausbau der Häfen im Indischen Ozean und im Südchinesischen Meer bedeuten für die chinesischen Marine eine grosse Erweiterung. Mit der Eröffnung der ersten chinesischen Militärbasis ausserhalb des Heimkontinents in Dschibuti, Ostafrika, bildet sich ein für viele besorgniserregendes Bild heraus. Die 2016 angekündigte Basis liegt an der Schnittstelle von Afrika, Asien, Europa sowie dem Nahen Osten und hat darum nicht geringen strategischen Wert für militärische Einsätze auf hoher See. China bestreitet vehement jegliche Anschuldigungen von Feindseligkeit im Bau des Stützpunktes und behauptet die Installation diene der humanitären Hilfe und als logistische Stütze im internationalen Kampf gegen Piraterie.

Das aquamarine Wasser trennt mehr als lediglich diese zwei Boote
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Internationale Gewässer

Die staatenlosen Gebiete der Erde

Durch das Seerechtsübereinkommen (SRÜ) der UN wird das Meer in verschiedene Hoheitszonen unterteilt. In einem Küstenabstand von 12 Meilen (19,3 Kilometern) gilt das Recht des Staates, welcher dort direkt an das Meer grenzt. Weiter von der Landmasse entfernt befindet sich die 200-Meilen-Zone, die so genannte «exklusive Wirtschaftszone», in der ein Küstenstaat das Recht zur Ausbeutung natürlicher Ressourcen haben kann. In der 350-Meilen-Zone ist die Förderung von Öl und Erdgas durch die Küstenstaaten weiterhin erlaubt, andere Rohstoffgewinnung nicht. In diesen Zonen sind sowohl Regelungen der betroffenen Küstenstaaten als auch solche der Internationalen Seerechtskonvention zu beachten. Ausserhalb dieser Zonen hat kein Staat das Recht, Hoheitsgewalt in Anspruch zu nehmen – nur Regeln des Völkerrechts können diese Freiheit auf hoher See einschränken. Diese sogenannten Internationalen Gewässer sollen internationale Konflikte auf Handelsrouten verhindern. Polizeiliche Massnahmen anderer Staaten sind demnach nur ausnahmsweise bei bestimmten schwerwiegenden Taten, wie zum Beispiel bei Piraterie, möglich. Unternehmen hingegen liebäugeln schon lange mit dieser Freiheit, um blockierende Gesetze und Steuern umgehen zu können.

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